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Die galante Entführung

Die galante Entführung

Titel: Die galante Entführung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georgette Heyer
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unwiderstehlich ihren lebhaften Sinn für Humor an. Ihr plötzliches Auflachen, das ein langes Schweigen brach, begründete sie Selina gegenüber mit der Erinnerung an einen alten Witz, der zu dumm war, um wiederholt zu werden. Die Entdeckung, daß ihr erster Freier auf tönernen Füßen stand, hätte damals ihre Verliebtheit zunichte gemacht. Bei Miles Calverleigh hatte sie von Anfang an gewußt, daß er kein Paladin war, aber seine Sünden waren für sie ebenso unwichtig wie sein fahles Gesicht mit den herben Zügen. Falls sie ihn heiratete, dann mit offenen Augen für seine Fehler und in dem Wissen, daß sie, wenn sie nur ihrem eigenen heißen Verlangen folgte, jedes Mitglied ihrer Familie verschiedenen Graden des Schocks, der Bestürzung und sogar, was Selina und Mary betraf, ernster Verzweiflung auslieferte.
    Es war ein schwer zu lösendes Problem, und keines der Argumente, die endlos in ihrem Gehirn aufeinanderprallten, brachte sie einer Entscheidung näher, obwohl sie den ganzen Tag an ihr nagten und sie bis tief in die Nacht hinein wachhielten.
    Keiner, der sie beobachtete, wie sie sich ihren Gästen am Donnerstag abend widmete, hätte jedoch vermutet, daß etwas vorgefallen war, das ihre Heiterkeit aufgestört hatte; und selbst das schärfste Auge konnte in ihrem Gesicht kein Zeichen entdecken, daß sie unter Liebesqualen litt. Sie beherrschte sich so sehr, daß sie, als sich Lady Weaversham listig erkundigte, wann sie denn Mr. Miles Calverleigh wieder in Bath zu sehen erwarten konnten, sogar imstande war, lächelnd zu antworten: »Ich weiß nicht, Ma’am. Wir vermissen ihn, nicht wahr? Meine Schwester hält ihn für viel zu frei und leger, aber ich finde ihn höchst unterhaltsam. Man weiß nie, was er als nächstes sagen wird!«
    »Was meiner Meinung nach«, sagte Lady Weaversham zu Mrs. Ancrum, »nicht die Art ist, wie eine junge Frau über einen Herrn spricht, in den sie verschossen ist. Und nie erröten, und auch nie einen betroffenen Blick! Nun, ich habe zwar wirklich geglaubt, zwischen ihnen sei etwas los, aber wahrscheinlich wäre es nicht gegangen, also ist es viel besser so.«
    Niemand vermutete, daß mit Abby etwas nicht stimmte; wohl aber bemerkten mehrere Leute, daß Fanny nicht besonders gut aussah. Sie war etwas zu rot und hatte entschieden verschwollene Augen, aber als Mrs. Grayshott sie gütig fragte, ob sie sich denn ganz wohl fühle, versicherte sie ihr, doch, wirklich, von leichten Kopfschmerzen abgesehen. »Sagen Sie Abby nichts davon, Ma’am«, bat sie. »Es würde ihr den Abend verderben, wenn sie es wüßte, und ich versichere Ihnen, sie sind nur ganz leicht!« Sie fügte hinzu, bevor sie wegflitzte, um neu angelangte Gäste zu begrüßen: »Sie wissen, wie es ist, wenn man eine große Gesellschaft gibt. So sorgfältig man sie auch vorbereitet, anscheinend gibt es doch immer im letzten Augenblick noch allerlei zu tun, so daß man wider Willen ziemlich müde ist, wenn die Gesellschaft beginnt.«
    Es stimmte, daß sie den größten Teil des Tages beschäftigt gewesen war, aber weder Ermüdung noch leichte Kopfschmerzen hätten unter normalen Umständen ihre Freude an der Gesellschaft wesentlich beeinträchtigt. Außerdem stand sie vor einem schweren Problem. Sie hatte sich zwar entschlossen, die Wahl zwischen dem Durchbrennen mit Stacy nach Schottland und seinem Verlust für immer zugunsten Schottlands zu entscheiden, dennoch hatte dieser Entschluß ihre Herzenserforschung nicht beendet und ihre Laune keineswegs gehoben. Wenn Selina fröhlich über Winterpläne plauderte und die zahlreichen Kleider erörterte, die sie für ihr, Fannys, Debüt im Frühling haben mußte, empfand sie ein albernes Verlangen, in Tränen auszubrechen. Wenn sie sich jedoch vorzustellen versuchte, wie es wäre, Stacy Lebewohl zu sagen, drängte es sie, sofort zu ihm hinzufliegen, nur um ihm zu versichern, daß sie ihr Versprechen halten wollte. Der Jammer war, daß ihr seit ihrem verstohlenen Stelldichein in der Abtei keinerlei Gelegenheit gewährt worden war, mehr als nur einige Worte mit ihm zu wechseln, und die nur in der Öffentlichkeit. Es war kein Wunder, wenn sie sich so schlecht fühlte. Sobald sie bei ihm war und nicht mehr in der Angst lebte, von ihm getrennt zu werden, würde alles in Ordnung sein: es war nur das Zerschneiden der Bande, die sie an Sydney Place knüpften, weshalb sie sich elend fühlte, und es war natürlich, wenn sie traurig darüber war, sich von ihrem Heim loszureißen.

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