Die galante Entführung
überrascht, zu entdecken, daß diese beiden Stacys Fehltritte grob übertrieben hatten, denn es war etwas so besonders Gewinnendes an seinen anmutigen Manieren und der Ehrerbietung, die er Älteren gegenüber an den Tag legte! Er war außerdem der Chef seines Hauses und Besitzer beträchtlicher Ländereien im Berkshire. Sie hatte Danescourt nie besucht, aber darüber in einem alten Band mit dem Titel »Herren- und Adelssitze« nachgelesen, und hier war es wirklich angeführt, mit der Abbildung eines großen, weitverzweigten, sehr alten Hauses sowie einer Menge interessanter Aufschlüsse über dessen Geschichte und der Geschichte der Calverleighs, in deren Besitz es anscheinend seit einer eindrucksvollen Anzahl von Jahrhunderten war. Falls es wirklich schwer belastet war und die unmittelbare Gefahr bestand, daß es aus den Händen der Calverleighs geraten würde, wie George Abby erzählt hatte, konnte es natürlich nicht als Wert betrachtet werden. Sein Verlust mußte Stacys Rang auf den Nullpunkt herabdrücken und ihn aus einer wünschenswerten Partie zu einem Früchtchen verwandeln, das sein Erbe verschwendet und sich selbst in Armut gebracht hatte. Wie aber hätte sie das wissen sollen? Es war höchst ungerecht von James gewesen, ihr einen so vorwurfsvollen Brief zu schicken; und ihr persönlich fiel es schwer zu glauben, was immer das Pech des armen jungen Mannes sein mochte, daß er auf Suche nach einer reichen Frau nach Bath gekommen sei. Was den empörenden Verdacht Abbys betraf, daß er beabsichtigte, mit Fanny durchzubrennen – das jedenfalls würde sie niemals glauben. Sie fragte sich nur, wie Abby von der lieben kleinen Fanny annehmen konnte, daß diese bar jeglichen Schamgefühls sei, oder wie Abby so rücksichtslos sein konnte, den schwankenden Gesundheitszustand ihrer Schwester nicht zu beachten und ihr Gedanken in den Kopf zu setzen, die notgedrungenermaßen ihre Nerven in beträchtlichen Aufruhr bringen mußten.
Und als sei all das noch nicht schlimm genug, war Mr. Miles Calverleigh über sie hereingebrochen und hatte keine Zeit verloren, sich besonders an Abby zu hängen! Über seinen Ruf bestand kein Zweifel, denn so sehr man ihn auch wegen der strengen Behandlung, die ihm sein Vater hatte zuteil werden lassen, bemitleiden mußte, Tatsache blieb, daß selbst der rigoroseste Vater seinen Sohn nicht ohne guten Grund nach Indien verfrachten würde. Und wenn James dachte, er könne die Schuld für das Eindringen dieses schwarzen Schafs in Abbys Leben Fanny in die Schuhe schieben, dann irrte er sich gründlich, und das würde sie ihm auch sagen. Wer in aller Welt hätte gedacht, daß Abby, die den Heiratsantrag des vornehmen Lords, der sich, von der Aura der Billigung des lieben Papas umgeben, um sie bewarb, zurückgewiesen hatte und über so bewunderswerte Freier wie Mr. Peter Dunston die Nase rümpfte, der Courschneiderei eines Mannes unterliegen würde, der überhaupt nichts besaß, was ihn einer so berüchtigt wählerischen Frau wie Abby empfehlen konnte? Er war überhaupt nicht hübsch; er hatte nichts von der Gewandtheit seines Neffen; seine Manieren waren das Gegenteil von geschliffen; und seine Kleidung, weit entfernt von elegant, war weder ordentlich noch schicklich. Nicht nur, daß er Morgenbesuche in Reithosen und nachlässig polierten Stiefeln machte, sah er meistens aus, als hätte er sich aufs Geratewohl angezogen, sein Halstuch in einen nachlässigen Knoten geschlungen und sich in die Jacke geworfen. Jeder hätte angenommen, daß Abby, die selbst immer tipptopp war, ein solch schäbiger Mensch angewidert hätte – selbst wenn er nicht mit dem Calverleigh verwandt gewesen wäre, den sie entschieden verabscheute! Sie war ja immer launenhaft gewesen, aber dem Onkel zu erlauben, ihr den Hof zu machen, während sie sich weigerte, die Werbung des Neffen um ihre Nichte zu dulden, steigerte die Launenhaftigkeit schon zu verdrießlichen Grillen. Und dabei hätte man gedacht, daß sie dem entwachsen war, was der liebe Rowland »Bocken« genannt hatte!
Abby war sich wohl bewußt, daß Selina sie mit Argwohn beobachtete, verriet jedoch keine ihrer eigenen Befürchtungen. Fern von Miles Calverleighs beunruhigender Anwesenheit vermochte sie Herrin ihrer selbst zu sein; und sie ging ihren üblichen Beschäftigungen nach, ohne ein Anzeichen, daß ihre heitere Ruhe ein Herz und ein Gemüt verbarg, das an ernstlichem Aufruhr litt. Mr. Calverleighs Mängel waren ihr ebenso bewußt wie Selina, und
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