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Die galante Entführung

Die galante Entführung

Titel: Die galante Entführung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georgette Heyer
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Schließlich hatte sie sich auch tagelang elend gefühlt, bevor sie einmal auf einen Monat zu ihrem Onkel James und Tante Cornelia gefahren war. Sie hatte außerdem sehr an Heimweh gelitten, hatte sich aber innerhalb einer Woche davon erholt. Und wenn das gegangen war, als sie bei ihrem Onkel war, der so pedantisch und nüchtern war, und bei ihrer abscheulichen Tante, wie viel schneller würde sie sich erholen, wenn sie in den Armen eines Gatten lag, den sie anbetete!
    Ihr Herz tat einen Sprung, als sie sah, wie Stacy sich über Selinas Hand beugte. Wie schön er war! Wie elegant! Wie ungezwungen und geschliffen seine Manieren waren, und wie anmutig er seine Verbeugung ausführte! Er ließ jeden anderen Mann im Raum provinzlerisch und unbeholfen erscheinen. Er war höchste Klasse – das einzig Wahre –, und unter all den mondänen Schönheiten, die bestimmt ihre Köder nach ihm ausgeworfen hatten, hatte er sie erwählt – die kleine Fanny Wendover, die noch nicht einmal debütiert hatte! Sie spürte Stolz auf ihn in sich aufwallen und fragte sich, wie sie nur einen Augenblick hatte zögern können, mit ihm fortzugehen.
    Als er jedoch gleich darauf auf sie zukam und versuchte, sie beiseite zu ziehen, ließ sie es nicht zu und sagte in drängendem Flüstern: »Nein, nein, nicht hier! Nicht jetzt!«
    »Aber, mein Liebling – « sagte er vorwurfsvoll schmeichelnd.
    Sie war schrecklich nervös, weil sie sich einbildete, daß mindestens ein Dutzend Augenpaare auf sie gerichtet waren; ein schmerzhafter Stich schoß durch ihren Kopf; und plötzlich wurde sie von einer Welle der Gereiztheit geschüttelt und flüsterte ziemlich wild: »Nein, nicht!«
    Er sah aus, als sei er ziemlich verblüfft. »Aber Fanny, ich muß doch mit dir sprechen!«
    »Nicht jetzt!« wiederholte sie. »Ich kann nicht – alle diese Leute! O bitte, quäle mich nicht! Ich habe furchtbare Kopfschmerzen!«
    Das Lächeln schwand von seinen Lippen. Er sagte: »Ich sehe, was es ist: dein Mut hat dich verlassen, oder deine Liebe ist nicht so stark, wie ich es geglaubt habe.«
    »Nein, nein, ich versichere dir, das ist es nicht. Nur – wir können hier nicht reden! Du mußt doch merken, wie gefährlich es ist!«
    »Also wo dann?«
    »Oh, ich weiß nicht!« Sie sah, daß er finster die Stirn runzelte, und sagte schnell: »Morgen – in den Gärten! Um – um zwei Uhr. Tante Selina wird auf ihrem Bett ausruhen, und am Freitag besucht Abby immer die alte Mrs. Nibley. Es wird mir gelingen, dich dort zu treffen, ohne daß es die Grimston weiß. Jetzt nicht mehr: Abby schaut zu uns herüber.«
    Bei diesen Worten wandte sie sich um. Die Stiche in ihrem Kopf nahmen zu, es wurde ihr übel, und sie machten sie fast blind. Einige unsichere Schritte ließen sie mit jemandem zusammenprallen. Sie stammelte: »Oh, ich bitte um Entschuldigung! Ich habe nicht gesehen!«
    Ihre Hand wurde ergriffen und in einem stützenden Griff gehalten. Oliver Grayshotts Stimme erklang über ihr. »Fanny, was ist los? Du bist krank!«
    »Oh, du bist’s!« sagte sie und klammerte sich dankbar an seine Hand. »Ich bin nicht krank. Es ist nur, daß mein Kopf so gräßlich weh tut. Gleich werde ich mich besser fühlen.«
    »Ja, aber nicht in diesem Gedränge«, sagte er. »Du mußt dich sofort hinlegen!«
    »O nein, wie könnte ich! Es würde die Gesellschaft stören und ein gräßliches Getue verursachen!«
    »Nein«, sagte er ruhig. »Niemand wird es merken, wenn du aus dem Saal schlüpfst. Ich glaube, du hast eine Migräne. Da ich selbst daran leide, weiß ich, daß es dagegen nur eines gibt: sich aufs Bett legen. Soll ich Lavinia holen, damit sie mit dir geht?«
    »Nein, bitte nicht! So schlimm ist es nicht. Nurse wird wissen, was sie für mich tun muß. Nur sag nichts, was meine Tanten erschrecken könnte.«
    »Natürlich nicht«, antwortete er.
    »Danke«, sagte sie seufzend. »Ich bin dir wirklich sehr dankbar!«
    Er sah ihr nach, als sie unauffällig aus dem Saal verschwand, und ging dann zu seiner Mutter, die sich mit Kanonikus Pinfold unterhielt. Er fand bald eine Gelegenheit, ihr zu sagen, daß sich Fanny mit Kopfschmerzen zurückgezogen hatte und ihre Tanten nicht erschreckt werden sollten. Sie erwiderte beruhigend, sie würde es Abby mitteilen, die weder erschrocken noch auch überrascht sein würde. »Als ich sagte, ich fände, Fanny sehe nicht ganz wohl aus, meinte sie, sie sei ziemlich sicher, daß Fanny Kopfschmerzen habe, nur wolle es das dumme Kind nicht

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