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Die Galerie der Lügen

Titel: Die Galerie der Lügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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Beweggründe bei einer Person, die sich selbst noch etwas vormachte und alles abstritt. Hatte er jetzt ihn, Darwin, entlarvt?
    »Sind Sie fertig?«, hallte Cadwells unwirsche Stimme vom Besprechungstisch herüber.
    »Ja«, murmelte Darwin. Sein Blick schweifte vom Hochglanzschreibtisch über den gelangweilt bei der Tür sitzenden Jack Jordan zu seinem Chef.
    »Und? Was wollte der Superintendent?«
    Darwin kehrte zum Konferenztisch zurück und fasste das Telefonat zusammen. Den Namen Kevin sparte er dabei aus.
    »Daniels scheint es ja mit aller Gewalt darauf abgesehen zu haben, diesen Fall allein zu lösen.«
    »Ihr geht’s wohl eher darum, zu erfahren, wer sie ist. Wenn Sie plötzlich Ihrem Zwilling begegnen würden, hätten Sie bestimmt dasselbe getan, Martin.«
    »Mag sein. Aber machen Sie Daniels klar, dass sie mit ihren Verschwörungstheorien und dem verrückten Kreationisten-Gewäsch nicht den Namen unserer Firma beschmutzen darf.«
    »Das habe ich bereits.«
    »Gut. Dann also zurück zu Daniels’ ominöser Liste. Mir behagt es nicht, dass Sie dieser Person ein Verzeichnis unserer Verträge vorgelegt haben.«
    »Irgendwie müssen wir den Kreis der gefährdeten Kunstwerke einschränken.«
    »Meinetwegen. Aber nennen Sie achtzig Verträge eine Einschränkung?«
    Darwin spielte mit dem Gedanken, darauf hinzuweisen, dass Alex Daniels nur neunundsiebzig Werke angekreuzt hatte. Angesichts der schlechten Laune seines Chefs ließ er es bleiben. »Ich glaube, wenn wir die Kunden warnen, könnte ein weiterer Diebstahl verhindert werden.«
    »Sie glauben! « Cadwells Gesicht wurde rot. Seine verschiedenfarbigen Augen verschossen Blitze. »Ist Ihnen klar, Darwin, was die Folge wäre, wenn wir vierzig oder mehr Kunden anrufen und ihnen sagen: I rgendein Irrer kann ArtCare nicht leiden und will deshalb Ihre Lieblinge plündern.« ?
    »Die Presse hat diesen Zusammenhang längst bemerkt und in aller Breite ausgetreten.« Insgeheim fragte sich Darwin, was die sensationsgeilen Medien erst melden würden, wenn die Sache mit Julian Kendish ans Licht käme.
    Cadwell lehnte sich in seinen Stuhl zurück, legte die Fingerspitzen aneinander und lächelte diebisch. »Bei vier Einbrüchen können wir immer dementieren. ArtCare hat einen satten Marktanteil. Da verwundert es nicht, wenn es uns besonders hart trifft.«
    »Es geht immerhin um unersetzliche Kunstschätze, Martin.«
    »Sicher. Hüten Sie sich vor dem Gedanken, Ihr Boss würde nur an den Profit denken.« Cadwell machte eine raumgreifende Geste. »Schauen Sie sich hier um. Meine kleine Sammlung ist nicht nur Dekoration. Die Bilder und Plastiken, die vielen perfekten Körper – nur ein Künstler kann so Vollkommenes erschaffen. Ich gebe Ihnen Recht: Wir müssen das Kulturerbe der Menschheit schützen. Aber das können wir nur tun, indem wir weiterbestehen. Wenn ArtCare sämtliche Kunden weglaufen, werden wir zwangsläufig scheitern.«
    Darwin betrachtete mürrisch das glühende Gesicht seines Chefs. Den Ausdruck des Sendungsbewusstseins beherrschte Cadwell perfekt. Eine runde Leuchtstoffröhre über seinem Kopf, und er könnte als Heiliger durchgehen.
    »Woran denken Sie, Darwin?«
    »Äh… Wie wäre es, wenn wir ein eher allgemein gehaltenes Rundschreiben an alle Kunden rausschicken? Wir könnten die Einbruchsserie zum Anlass nehmen, um sie taktvoll an ihre Pflichten zu erinnern: ArtCare leistet im Schadensfall nur Ersatz, wenn sämtliche Sicherheitsvorkehrungen vertragsgemäß eingehalten werden – irgendetwas in der Richtung.«
    Cadwell dachte ungefähr zwei Sekunden darüber nach. Dann nickte er. »Gute Idee, Darwin. Lassen Sie das die Leute von der Marketingabteilung tun; die wissen, wie man mit Worten umgeht. Unsere Kunden müssen spüren, wie sehr wir um ihre Lieblinge besorgt sind. Am besten, wir machen daraus einen Brief der Geschäftsleitung, mit meinem Namen drunter. Das kommt immer gut. Bevor das Rundschreiben rausgeht, will ich es sehen.«
    »Geht klar.«
    »Dann möchte ich Sie nicht länger von der Arbeit abhalten. Geben Sie Gas! Bis Sonntag sind es nur noch zwei Tage.«
    Nachdem Darwin aus der Marketingabteilung in sein Büro zurückgekehrt war, fühlte er sich wie ein Kapitän, der ohne Kompass und Radar durch den Nebel fuhr. Er besaß zwar eine Seekarte – den Magritte und Alex Daniels’ Interpretationen der Symbole –, aber ohne Orientierungshilfe drohte er dennoch Schiffbruch zu erleiden. Wenn Cadwell ihm wenigstens erlaubt hätte, die Besitzer der

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