Die Galerie der Lügen
Fleurop waren immer kostspielig). Ein bizarrer Gedanke schlich sich in ihr Bewusstsein. Ob Darwin Shaw…?
»Wenn Sie die Blumen haben wollen, dann müssen Sie hier unterschreiben«, erklärte der Pickelige schon etwas energischer. Er streckte Alex ein Klemmbrett entgegen.
Sie entriss es ihm, signierte hinter dem Kreuz, reichte die Liste zurück und schnappte sich die Blumen. Die Tür flog ins Schloss. Von draußen drang ein dumpfes »Schönen guten Abend« herein.
Alex fühlte sich schlecht. Erst gestern hatte sie erfahren, wie man sich nach solch einer Behandlung fühlte, und jetzt benahm sie sich selbst so. Wenigstens ein Trinkgeld hätte sie dem aknegeplagten Hermes geben sollen. Doch es war zu spät. Der Motor des Lieferwagens heulte auf, Räder quietschten, wenig später herrschte Stille.
Unwirsch ob der eigenen Flegelhaftigkeit betrachtete sie den Strauß. Es waren rote Rosen. Sie wurde den Verdacht nicht los, die Wahl des Fleurop-Dienstes könnte kein Zufall sein. Ausgerechnet Hermes! Hätte die freundliche Seele nicht irgendeinen x-beliebigen Laden um die Ecke auswählen können?
Sie drehte allmählich durch. Sicher bildete sie sich nur ein, der Absender dieser Rosen habe genau gewusst, dass mit ihrem leuchtenden Rot nach psychoanalytischer Deutung ein Liebessignal gegeben wurde.
Schnell fand sie unter der transparenten Umhüllung die gesuchte Mitteilung. Sie lief mit den Blumen in die Küche und entfernte das knisternde Papier. Die Nachricht steckte in einem verschlossenen Umschlag. Alex riss ihn auf, zog das gefaltete Kärtchen heraus, drückte es an ihre Brust und verharrte einen Moment mit geschlossenen Augen. Von wem stammte der Blumengruß?
Sie klappte die Karte auseinander. Die Nachricht war kurz, und sie stammte nicht von Darwin Shaw.
Sondern von Theo.
Zunächst begriff Alex nicht, was da stand. Aber dann blickte sie sich hektisch um, eilte zur Tür und schaltete das Licht aus.
Kapitel 8
»Jeder ist ein Mond und hat eine dunkle Seite, die er niemandem zeigt.«
Mark Twain
LONDON (ENGLAND),
Freitag, 5. Oktober, 8.42 Uhr
»Ich habe schon immer gesagt, dass Hormonbehandlungen nicht der richtige Weg sind, um Kinderlosigkeit in den Griff zu bekommen.« Detective Superintendent Longfellows tiefe Stimme ließ den kleinen Lautsprecher in Darwins Handy schnarren.
»Zumindest verdichten sich die Hinweise auf eine Beziehung der Lovecrafts mit Alex Daniels, und wenn es nur über diese Terri ist.«
»Und den großen Unbekannten, der sich Kevin nennt. Ich wette, bei dem Namen ist in Ihrem Kopf eine rote Lampe angegangen.«
»Ja«, antwortete Darwin knapp. Er warf einen Blick über die Schulter zu Martin Cadwell, der bereits ungeduldig auf die Fortsetzung der allmorgendlichen Krisensitzung in der Chefetage wartete. Bisher hatte Darwin seinen Verdacht gegen den obersten Sicherheitskontrolleur von ArtCare für sich behalten, und daran würde sich auch nichts ändern, nur weil dessen Sohn zufällig ebenfalls Kevin hieß. Aus der Personalakte ging hervor, dass Julian Kendish von Cadwell persönlich eingestellt worden war. Darwin schwante, dass er sich eine Menge Ärger einhandeln würde, wenn er allzu forsch mit irgendwelchen Beschuldigungen gegen Verblichene aufwartete.
»Haben Sie inzwischen etwas Neues herausgefunden?«, schnarrte die Stimme aus dem Handy.
Darwin wandte sich wieder dem Fenster zu, um sich erneut der Betrachtung des morgendlichen Verkehrschaos zu widmen. »Wir versuchen gerade, eine Liste der gefährdeten Kunstwerke zusammenzustellen. Alles ziemlich spekulativ. Wie hat Daniels die gestrige Sache verkraftet?«
»Lässt sich schwer einschätzen. Muss ein ziemlicher Schock gewesen sein, das Ganze. Sie haben sich wohl in das Bild der kühlen Blonden verguckt, was?«
»Unsinn!« Darwin merkte, dass seine Antwort etwas zu schnell herausgekommen war. Mortimer Longfellows Zunge war ein Schlachtross, das einem, ehe man sich’s versah, in Grund und Boden stampfen konnte.
Am anderen Ende der Verbindung herrschte Stille. Nach einer Pause ließ die Stimme des Superintendent wieder den Lautsprecher vibrieren.
»Einen guten Rat unter Freunden: Lassen Sie die Finger von Daniels. Der Schuss könnte nach hinten losgehen.«
»Machen Sie’ s gut, Mortimer. Und danke für die Info.«
Darwin drückte rasch die Taste zum Auflegen. Man konnte Longfellow, diesem Urgestein eines Kriminalisten, so schnell nichts vormachen. Manchmal bemerkte er Neigungen und
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