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Die Galerie der Lügen

Titel: Die Galerie der Lügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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bis sie schließlich nebeneinander liegen blieben. Sofort schob sich Darwin über den reglosen Körper der jungen Frau, damit keine herumfliegenden Trümmer sie treffen konnten. Erst dann blickte er hinter sich. Was er da sah, war ein Inferno.
    Die Explosion musste vom Erdgeschoss ausgegangen sein, denn dort fauchten die Flammen wie der Atem eines Drachen aus den geborstenen Fenstern. Aber auch im Obergeschoss loderte bereits das Feuer. Mit Schaudern wurde Darwin bewusst, das er keine Sekunde später hätte reagieren dürfen.
    Sie wären bei lebendigem Leibe gegrillt worden.
    Er wandte sich wieder dem wie schlafend anmutenden Gesicht zu, das unter ihm lag. Für einen Moment kam es ihm so vor, als sei es von einem grünlichen Schimmer erhellt. Jetzt hör auf zu spinnen!, rief er sich zur Ordnung. Behutsam schob er eine Haarsträne aus Daniels’ Stirn.
    Ihre Wimpern begannen zu flimmern. Sie öffnete die Augen.
    Er lächelte befreit. »Verzeihen Sie meine Ruppigkeit. Das ist normalerweise nicht meine Art.«
    Sie sah ihn fragend an. In ihren violetten Augen spielten die Reflexe des Feuers.
    Von irgendwo näherten sich Schritte. Jemand fragte etwas, das Darwin nicht verstand. Er wartete immer noch auf eine Antwort.
    »Die Entschuldigung ist angenommen«, sagte Alex Daniels mit ernstem Gesicht. »Aber ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn Sie mich jetzt wieder loslassen könnten.«
     
     
    Die Gasexplosion war im ganzen Viertel gehört worden. Sie hatte nicht allein die Fensterscheiben von Alex Daniels’ Haus zu Bruch gehen lassen. Die Beamten der NCS waren mit den zwei knapp dem Tode Entronnenen sofort ins nahe gelegene St. Pancras Hospital gefahren. Darwin fühlte sich schuldig, weil er mehr Glück als seine Begleiterin gehabt hatte. Ein paar Schürfwunden und blaue Flecken, sonst fehlte ihm nichts. Bei Alex Daniels kam der Verdacht auf eine leichte Gehirnerschütterung hinzu. Die Ärzte wollten sie »zur weiteren Abklärung bis morgen unter Beobachtung behalten«.
    Daniels weigerte sich. Weil die Verbindungstür der zwei Behandlungszimmer in der Notaufnahme offen stand, bekam Darwin alles mit. Die Patientin wollte sich nicht einmal richtig untersuchen lassen. Als ein Arzt sie bat, sich freizumachen, weigerte sie sich. Er versuchte Druck auszuüben, malte das Gespenst »irreparabler Schäden« an die Wand. Da bekam sie einen Tobsuchtsanfall.
    Sie begann den Mediziner zu beschimpfen, ihn gar auf eine Stufe mit Nazi-Ärzten zu stellen, die ihre Patienten wie Vieh behandelten und jeden Missgriff der Natur in die Gaskammer schickten. Hätte Darwin nicht interveniert, wäre sie wohl von dem Doktor wegen Beleidigung belangt worden. Erst als er dem Arzt erzählte, dass Alex Daniels innerhalb von sechsunddreißig Stunden nur zweimal knapp dem Tod entronnen sei, zeigte der Weißkittel Größe und ließ die Cholerikerin auf eigene Verantwortung gehen. Nachdem dann auch noch die Polizei ihr Protokoll aufgenommen hatte, durfte das gepflasterte und bandagierte Paar endlich abziehen.
    Während Darwin seine Wohnung in Southwark ansteuerte, telefonierte er mit Longfellow.
    »Es wäre vielleicht gut, wenn Sie eines Ihrer Teams zur Spurensicherung in die Rochester Mews schicken.«
    »Hätte ich sowieso getan«, dröhnte Longfellows Bass über die Freisprechanlage. »Werd mir doch nicht von der Feuerwehr und der Stadtpolizei alles zertrampeln lassen. Ist Daniels jetzt bei Ihnen?«
    »Ja.«
    »Tut mir Leid, Ms Daniels, was da passiert ist. Wir schnappen die Kerle. Verlassen Sie sich drauf.«
    Sie bedankte sich.
    »Kümmert sich jemand um Ihre persönliche Habe?«
    Die junge Frau sah Darwin verständnislos an.
    »Ich glaube, das müssen Sie Ms Daniels erklären, Mortimer«, sprach Darwin ins Freisprechmikrofon.
    »Ist ganz einfach«, erläuterte der Kommissar. »Wenn die Feuerwehr mit dem Löschen fertig ist, rückt sie ab. Dann ist Ihr Haus unbewacht. Im günstigsten Fall hängen sie noch ein paar gelbe Bänder mit Warnhi nweis auf. Das war’s. Wenn Sie’ s momentan selbst nicht können, dann sollten Sie jemanden hinschicken, der Ihre Wertsachen oder Dokumente an sich nimmt.«
    Darwin bemerkte, wie seine Beifahrerin kurz nachdachte, aber dann schüttelte sie nur den Kopf.
    »Ich bin’s noch mal, Mortimer«, rief er stattdessen. »Wir haben bei ArtCare ein paar Spezialisten für Sicherheitstransporte. Ich denke, die kann ich irgendwie für den Job loseisen. Notfalls muss ich denen eine Ladung Sixpacks spendieren – morg en ist ja

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