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Die Galerie der Lügen

Titel: Die Galerie der Lügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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Samstag. Kriegen Sie’ s irgendwie hin, das Haus bis dahin bewachen zu lassen?«
    »Bis morgen? Ich denke schon. Werde gleich mal bei der Metropolitan Police anrufen und mit dem Chief sprechen.«
    »Danke.«
    »Keine Ursache. Ach, Darwin?«
    »Ja?«
    »Egal zu welcher Tageszeit – wenn Sie noch irgendetwas erfahren, rufen Sie mich an.«
    »Ist okay. Danke noch mal, Mortimer.«
    Wenig später parkte Darwin den Griffith am Nelson Square. Seine Beifahrerin hatte auf dem Weg nach Southwark nur einmal gesprochen: als sie ihn bat, das Autotelefon auszuschalten. Während er den Wagen umrundete, um der Dame den Schlag zu öffnen, wurde der Harndrang, den er schon während der ganzen Fahrt gespürt hatte, zu einem ernsten Problem. Am liebsten wäre er mit überkreuzten Beinen gelaufen, was er dann aber doch unter seiner Würde fand. Mit verbissenem Lächeln reichte er Daniels die stützende Hand.
    Zu seiner Verwunderung nahm sie die Hilfe an. Anscheinend ging es ihr schlechter, als sie nach außen hin zeigen wollte. Dennoch war er überrascht, wie kräftig sie zupackte. Obwohl er sich selbst wie ein durchgeprügelter Sack Knochen fühlte, hatte er sich in den Kopf gesetzt, sie aufzumuntern.
    »Was für eine Ironie des Schicksals! Von meiner Wohnung zur Tate Modern ist es nur ein Fußweg von ungefähr zehn Minuten. Das › Gehirn ‹ hat mir den Unachtsamen Schläfer direkt unter der Nase weggeschnappt.«
    Daniels verzog keine Miene.
    Er versuchte es auf andere Weise. Zu dem vierstöckigen Haus mit der nach außen gewölbten Fassade deutend, erklärte er: »Da wohne ich. Wie gefällt’s Ihnen?«
    Ihr Blick folgte seinem ausgestreckten Arm. Sie blieb stumm.
    »Ist eine Maisonettewohnung. Nicht so nobel wie Ihr Stallhaus, aber für einen lonely rider wie mich reicht’s.«
    Sie bedachte ihn mit einem kühlen Blick. »Mein Haus ist nicht nobel, Mr Shaw. Es ist ein Trümmerhaufen.«
    »Waren Sie eigentlich versichert?«
    »Als wenn das ein Trost wäre!«
    »Die Feuerwehr war schnell zur Stelle und konnte das Mauerwerk retten. Sie werden sehen, in drei, vier Monaten ist Ihr Häuschen wieder wie neu.«
    Auch zu dieser zugegebenermaßen optimistischen Äußerung hatte sie nichts zu sagen.
    Darwin ließ allen Überschwang fallen und sagte sanft: »Kommen Sie. Ich helfe Ihnen.«
    Daniels entzog sich seinem Griff. »Danke. Es geht schon.«
    Er schloss die rote Haustür auf und ließ ihr den Vortritt. »Leider haben wi r keinen Fahrstuhl. Werden Sie’ s bis in den Dritten schaffen?«
    Die Frage hatte offensichtlich ihren Ehrgeiz angestachelt. Mit seltsam hölzernen Bewegungen machte sie sich an den Aufstieg. Vermutlich fühlte sie sich genauso durchgewalkt wie er. Darwin blieb dicht hinter ihr.
    Zwischen der zweiten und dritten Etage geriet Daniels unvermittelt ins Wanken. Sofort war er zur Stelle, um sie zu stützen.
    Sie stand eine Stufe über ihm und sah in sein Gesicht. Einen Moment lang waren sie einander ganz nah. Ein verzauberter Augenblick.
    Darwin spürte das unbändige Verlangen, sie an sich zu ziehen und zu küssen, hielt sich dann aber doch zurück. Er wollte ihre Schwäche nicht ausnutzen. Mit Gewalt riss er sich von ihren violetten Augen los und deutete die Treppe hinauf.
    »Noch ein ha lbes Stockwerk, dann haben Sie’ s geschafft.«
    Sie wandte sich von ihm ab und zog sich weiter am Geländer hinauf. Der zauberhafte Moment war verflogen.
    Wenigstens hatte er Darwins Harndrang beruhigt. Ein schwacher Trost zwar, aber immerhin eine Hilfe, den Schlüssel ins Sicherheitsschloss der Wohnungstür einzufädeln. Während er ihn herumdrehte, drängte sich ein neues Bedürfnis in sein Bewusstsein. Er hätte zu gerne gewusst, wie er seine Junggesellenbude am Morgen verlassen hatte. Vermutlich in einem katastrophalen Zustand. Sicherheitshalber trat er als Erster durch die Tür und machte sich mit vorgerecktem Kopf sofort an die Suche nach fallen gelassener Unterwäsche und leeren Bierdosen.
    Es war weniger schlimm, als er befürchtet hatte. Daniels folgte ihm in sicherem Abstand, als wisse sie sehr genau, welche Sorgen ihn plagten. Ohne auf die üblichen Floskeln zu warten, stellte sie ihre Tasche auf das Schränkchen im Flur, schlüpfte aus ihrer zerschrammten Lederjacke und warf diese über einen freien Haken der Garderobe – alles im Vorübergehen. Darwin führte den Gast vorbei an der Badezimmer- und der Küchentür ins Wohnzimmer. Er deutete auf das Sofa aus dunkelbraunem Büffelleder.
    »Da werde ich nächtigen. Sie

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