Die Galerie der Lügen
Pause vor, führte den englischen Gast in sein Büro und ließ ihn allein.
»Können Sie mich in drei Minuten unter der anderen Nummer zurückrufen, Mortimer?«, bat Darwin. Der Polizist maulte zwar, erklärte sich aber bereit. Wenig später ertönte erneut das Motiv der Fernsehserie aus dem Telefon.
»Soll ich noch den Zerhacker einschalten?«, knurrte Longfel lows Bass aus dem Handy.
»Mir ist nicht nach Scherzen zumute, Mortimer. Irgendwas Neues von Alex Daniels?«
»Nein. Aber der Tipp mit Cynthia und Sean O’Connor war Gold wert.«
»Was haben Sie herausgefunden?«
»Sean O’Connor stammt aus Glasgow, seine Frau aus Little Milton, einem Nest südöstlich von Oxford. Beide waren gelernte Biologen. Sie haben sich an der Universität von Edinburgh kennen gelernt und dort 1975 geheiratet. An der School of Biological Sciences lag ihr Schwerpunkt auf experimenteller Genetik. Bis dahin war’s einfach; das meiste hat Detective Constable Spencer direkt von der Verwaltung der Universität bekommen. Ab 1978 fällt die Vita der beiden in ein schwarzes Loch.«
»Dem Jahr, in dem das erste Retortenbaby geboren wurde. Warum überrascht mich das nicht?«
»Keine voreiligen Schlüsse, Sportsfreund. Eine kleine Information haben wir der University of Edinburgh noch aus den Rippen leiern können, nämlich den Namen des privaten Forschungsinstituts, in das die O’Connors übergewechselt sind. Schon mal was von HUGE gehört?«
Darwins Brauen zogen sich zusammen. »Warten Sie… Doch, da war was. Ich glaube, der Name stand in einem Artikel der Times, der über die Parlamentsabstimmung Ende des Monats berichtet hat. Ging um die Lockerung der Klongesetze, wenn ich mich nicht irre.«
»Das kommt hin. Die Abkürzung HUGE steht für Human Genetics. Der Laden will als erster ein Verfahren zur Bekämpfung der Parkinsonkrankheit auf den Markt bringen. Zu dem Zweck erzeugen sie in größerem Maßstab embryonale Stammzelllinien. Ich verstehe nichts davon, aber John meinte, das bedeutet nichts anderes als therapeutisches Klonen von Menschen.«
»Und womit haben die sich vor dreißig Jahren die Zeit vertrieben?«
»Damals war HUGE eine Stiftung ohne kommerzielle Orientierung. Es hatte zwei Forschungsorte gegeben: Edinburgh und Cambridge. In letzterem hat man sich um die Kartografierung des menschlichen Genoms verdient gemacht. Über die Zielrichtung des schottischen Zweigs ist nichts bekannt, nur so viel, dass er irgendwann Anfang der Achtziger aufhörte zu existieren.«
»Gibt es keine Rechenschaftsberichte aus der Zeit, wissenschaftliche Veröffentlichungen, Presseartikel oder dergleichen?«
»Wir verstehen auch was von dem Job, Darwin. Da ist nichts. Aber mein Anruf ist ja nur ein Zwischenergebnis, weil Sie ständig so tun, als säßen Sie auf Kohlen. Wir bleiben weiter an der Sache dran.«
»Ist schon klar, Mortimer. Mir scheint, um unsere Fälle in der Gegenwart zu lösen, müssen wir zuerst diesen dunklen Fleck in der Vergangenheit erhellen. Ich will nicht drängen, aber Alex Daniels’ Leben könnte von Ermittlungen Ihrer Leute abhängen.«
»Fangen Sie Ihren Einbrecher, und ich setze unsere schottischen Kollegen auf HUGE an. Zufrieden?«
»Ja, danke, Mortimer. Wenn ich was rausfinde, gebe ich Ihnen auch Bescheid.«
»Sie? Ich denke, Sie jagen Phantome in einem holländischen Museum?«
»Na eben. Hier hängen haufenweise van Goghs. Sie wissen schon, der Typ, der sich das Ohr abgeschnitten hat. Vielleicht inspiriert mich das ja, um dem › Gehirn ‹ auf die Spur zu kommen.«
Im Laufe des Meetings mit Polizei- und Museumsmitarbeitern gewann Darwin zunehmend den Eindruck, dass die Planung der »Operation Babel« letztlich an ihm hängen würde. Inspecteur Wim Gaemers, Leiter des Einsatzkommandos der Kripo, ein kantiger Rotblonder mit welliger Stirn, schien nicht einmal zu bedauern, dass man ihm die Hälfte der spontan zugesagten Männer wieder weggenommen hatte. Er sprach es nicht offen aus, aber Darwin konnte es spüren: Die Glaubhaftigkeit von ArtCare war angekratzt.
Nach der Lagebesprechung schwärmten alle auseinander, um ihre Hausaufgaben zu machen. Während Jeff Blackwater sich von einem Mann des örtlichen Sicherheitsdienstes die Überwachungstechnik und Alarmsysteme zeigen ließ, konnte sich Darwin endlich um Beckys E-Mail kümmern. Eine Bitte an den sehr kooperativen stellvertretenden Museumsdirektor genügte, um ihn mit einer jungen Dame namens Mareike van der Bast zusammenzubringen. Sie gestaltete Plakate
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