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Die Galerie der Lügen

Titel: Die Galerie der Lügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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wieder am Regler. »Und so sieht er mit der oberen Gesichtshälfte des Bärtigen aus.«
    Darwin staunte. »Man sieht fast keinen Unterschied!«
    Mareike van der Bast lächelte. »Eben. Wenn Sie mich fragen, ist das ein und derselbe Mann.«

 
    Kapitel 13
     
     
     
    »Gegen Angriffe kann man sich wehren, gegen Lob ist man machtlos.«
    Sigmund Freud
     
     
    LONDON (ENGLAND),
    Dienstag, 9. Oktober, 21.10 Uhr
     
    Als das Telefon nach zweimaligem Läuten verstummte, huschte ein Schatten aus dem Haus in der Copperfield Street. Auf der Straße stand eine schwarze Jaguar-XJR-Limousine mit laufende m Motor. Es war zu dunkel, um die Person am Steuer zu erkennen.
    Alex spürte ihr Herz klopfen. Seit Theos Anruf waren erst ein paar Minuten verstrichen. Sogar zum Umziehen war keine Zeit geblieben. Unter ihrer Lederjacke trug sie noch Darwins Blue-Jay-Sweatshirt. Nur die Jogginghose hatte sie gegen schwarze Jeans eingetauscht.
    Sie lief auf die Beifahrerseite. Von innen wurde die Tür geöffnet. Alex stieg ein.
    Die Straßenlaternen und Fahrzeuginstrumente sorgten für ein Halbdunkel, das der ersten Begegnung mit Theo etwas Geheimnisvolles verlieh. Dennoch konnte Alex genug erkennen, um zu erschauern.
    »Sag bloß, du hast nicht längst geahnt, dass wir so etwas wie Zwillinge sind«, sagte Theo lächelnd.
    Er trug die blonden Haare kurz. Seine schwarze Lederkleidung glänzte matt im Widerschein der Anzeigen und Schalter. Jeder hätte ihn auf den ersten Blick für einen Mann gehalten. Trotzdem war es für Alex, als blicke sie in einen Spiegel und sehe jenen anderen Teil ihres gespaltenen Wesens, den sie immer vor der Welt versteckt hatte.
    Theo nahm die Rechte vom Lenkrad und streckte sie ihr entgegen. »Ich freue mich, dich endlich kennen zu lernen. Soll ich Bruder oder Schwester zu dir sagen?« Seine Stimme hatte etwas Einschmeichelndes. Alex glaubte einen schottischen Tonfall zu hören.
    Zaghaft nahm sie die Hand. »Schwester wäre mir lieber. Bist du auch…?«
    »Ein Hermaphrodit?« Sein Lächeln schien zu verkrusten. »Genetisch ja.«
    »Was bedeutet das?«
    »Alles zu seiner Zeit, Alex. Zunächst sollten wir hier verschwinden.« Er schob den Automatikhebel auf »Drive«, die Limousine setzte sich fast lautlos in Bewegung. Mit der Linken deutete er über die Schulter. »Auf dem Rücksitz ist eine Brille. Würdest du sie bitte aufsetzen?«
    Alex legte die Stirn in Falten. Was sollte das jetzt? Sie beugte sich nach hinten und angelte sich das Ding. Es glich jenen Accessoires, mit denen Skifahrer ihre Augen schützten, war aber deutlich schwerer und in keiner Weise durchsichtig. Sie hielt ihm die Brille entgegen.
    »Das ist doch nicht dein Ernst, oder?«
    »Ich kann dein Misstrauen verstehen, Alex, aber ich möchte dir einen Ort zeigen, dessen genaue Lage ich – vorerst jedenfalls – selbst vor dir geheim halten muss. Dort können wir uns ungestört unterhalten. Glaubst du nicht auch, dass es eine Menge zwischen uns beiden zu bereden gibt?«
    Widerstrebend streifte sie das elastische Band über den Kopf. Aus dem Zwielicht wurde Finsternis. »Wieso ist das Ding so schwer?«
    »Die Brille ist mit Bleifolie ausgekleidet«, erklärte Theo. »Nur für den Fall, dass du wie ich im Infrarotbereich sehen kannst. Kannst du?«
    »Nein«, brummte Alex.
    »Sonst irgendwelche besonderen Begabungen?«
    »Ich kann keine Handys ausstehen.«
    Sie hörte ein leises Lachen. »Das geht wohl vielen so.« Im nächsten Moment spürte sie etwas Kühles in der Hand. »Das sind Kopfhörer und ein MP3-Spieler. Ein bisschen Musik wird dir die Fahrzeit verkürzen. Ich hoffe, ich habe deinen Geschmack getroffen.«
    »Du willst mich nicht nur blind, sondern auch taub machen.«
    »Dein Verstand ist messerscharf, Schwester. Das schätze ich so an dir. Als ich die Nachrichtensendungen über den Louvre-Einbruch verfolgte und zum ersten Mal dein Gesicht sah, bin ich sofort ins Internet gegangen und habe alles herausgesaugt, was es da von dir und über dich zu lesen gab. Inzwischen dürfte ich die meisten deiner publizistischen Arbeiten kennen. Du bist brillant.«
    »Ich tue nichts anderes, als meinen Kopf von Vorurteilen freizuhalten – so gut es eben geht.«
    »Schade nur, das so viele dich verkennen. Aber du weißt ja: › Um ein tadelloses Mitglied einer Schafherde sein zu können, muss man vor allem ein Schaf sein. ‹ Weil du keins bist, mögen dich deine Gegner nicht.«
    »Wieso hast du ausgerechnet dieses Zitat von Einstein in deinem Kassiber

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