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Die Galerie der Lügen

Titel: Die Galerie der Lügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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und Grafiken für das Museum. Mareike war Praktikantin, eine hübsche Blondine mit strahlend blauen Augen und einem niedlichen Grübchen am Kinn. Sie studierte Kunst an der Vrije Universiteit Amsterdam.
    In ihrem Beisein lud Darwin das Foto von Julian Kendish aus dem Internet, das Becky irgendwie aus der Personalabteilung herausgeschmuggelt und eingescannt hatte. Er zeigte es bildschirmfüllend an. Neben den Monitor legte er den Schnappschuss von der Angelgesellschaft und deutete auf die Nummer zwei von links.
    »Ich würde gerne wissen, ob dieser bärtige Typ hier und der Mann am Bildschirm ein und dieselbe Person sind. Man müsste einen Ausschnitt des Gruppenbildes machen, ihn hochvergrößern und die beiden Porträts irgendwie übereinander legen, damit wir die Augenpartie und die Nase besser vergleichen können? Kriegen Sie das hin, Mareike?«
    »Kein Problem«, antwortete die junge Frau in perfektem Englisch. »Es kann allerdings eine Stunde dauern.«
    »Darf ich Ihnen zusehen?«
    »Nein«, erwiderte sie postwendend. »Solche kniffligen Sachen mache ich lieber ohne Publikum.«
    Er lächelte. »Schade. Dann muss ich wohl mit den alten Meistern vorlieb nehmen.«
    Nach gut sechzig Minuten kehrte er zu der Kunststudentin zurück. Sie hatte inzwischen ihre graue Strickjacke ausgezogen, als habe die Arbeit ihr den Schweiß aus den Poren getrieben. In Bluejeans und kurzärmeligem weißem T-Shirt saß sie an ihrem PC und ließ die Tasten klappern. Darwin fragte nach dem Fortschritt ihrer Arbeit.
    »Sie werden staunen«, entgegnete sie mit einem verschmitzten Lächeln. »Setzen Sie sich neben mich.« .
    Er zog sich vom benachbarten Schreibtisch einen Rollenstuhl heran, nahm darauf Platz und überlegte flüchtig, welches Parfüm die junge Dame benutzte.
    »In meinem Bildbearbeitungsprogramm kann ich mit mehreren Ebenen arbeiten«, erklärte Mareike und wurde sogleich von ihm gebremst.
    »Gehen Sie davon aus, dass ich null Ahnung von Computersoftware habe.«
    Ihr Grübchen hüpfte vor Vergnügen. »Hätte nicht gedacht, dass es so was noch gibt. Also gut, stellen Sie sich durchsichtige Plastikfolien vor, so eine Art großer Dias, auf denen sich die Bilder befinden…«
    »Die Porträts unseres Kandidaten, meinen Sie?«
    »Ja. Oder auch Teile davon. Ich kann jetzt am Monitor diese › Folien ‹ übereinander legen, wodurch sich die Bilder überlappen.«
    »Das würde ich gerne sehen.«
    »Passen Sie auf.«
    Die Studentin ließ ihre Maus über die Unterlage flitzen, klickte mal hier, mal dorthin, drückte ab und zu ein paar Tastenkürzel, und mit einem Mal sah Darwin das haarlose Gesicht von Julian Kendish.
    »Nummer eins«, sagte Mareike.
    Darwin nickte.
    Sie klickte in ein kleines Kästchen, und das bärtige Konterfei aus der Anglergruppe erschien in exakt gleicher Größe über dem ersten Bild.
    »Haben Sie’ s gesehen?«, fragte die Studentin.
    »Was soll ich gesehen haben?«
    »Achten Sie auf die Augen, die Nase und die Wangenknochen.«
    Diesmal verschob sie einen kleinen Regler auf dem Bildschirm, und das Bild des Bärtigen wurde allmählich durchsichtiger, wodurch wieder die darunter liegende Ebene mit dem Glatzkopf sichtbar wurde. Bald war der »Waldschrat« völlig verschwunden.
    »Es sieht ziemlich ähnlich aus«, wagte Darwin eine vorsichtige Prognose.
    »Vergessen Sie nicht den Altersunterschied«, gab die Studentin zu bedenken und schob noch ein paar Mal den Regler hin und her.
    Darwin murmelte: »Ich bin mir fast sicher. Kann man dem Angler nicht die Haare wegretuschieren oder dem anderen welche einpflanzen – rein digital, meine ich?«
    Mareike griente. »Ich habe mir schon gedacht, dass Sie auf so eine Idee kommen könnten. Allerdings bedecken die Haare ja den größten Teil des Gesichts. Wenn ich den darunter liegenden Kopf rekonstruieren würde, käme kaum mehr als ein Fantasiegemälde heraus. Deshalb habe ich mit Maskierungen gearbeitet.«
    »Vermutlich hat das nichts mit Zorro zu tun, oder?«
    »Eher weniger. Mit Masken kann man Teile des Bildes abdecken oder auch transparent machen. Genau das habe ich getan. Ich werde jetzt für Sie die unbehaarten Gesichtspartien des Anglers in das Konterfei des Glatzkopfes einblenden.«
    »Sie meinen, eine Montage aus beiden Porträts?«
    »Genau. Passen Sie auf.«
    Die Studentin klickte erneut in einige Kästchen und sagte dann: »Das ist der Kahlkopf im Original. Achten Sie auf die Verdickung unterhalb der Nasenwurzel und die Form der Augenhöhlen!« Sie schob

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