Die Galerie der Lügen
benutzt?«
»Ich hab’s bei dir entdeckt, in einem Artikel. Ist sofort abgespeichert worden. Hat mir gefallen.«
Alex nickte. » › Wir lieben die Menschen, die frisch heraussagen, was sie denken – falls sie das Gleiche denken wie wir. ‹ «
»Mark Twain, nicht wahr?«
»Hast du etwa auch ein Faible für die Aussprüche großer Denker? «
»Wundert dich das? Aber lass uns später darüber reden. Tu mir den Gefallen und steck dir die Ohrstöpsel rein. Ich hoffe, meine Musikauswahl gefällt dir.«
Alex verkabelte sich, obgleich ihr Theos verschwörerisches Getue nicht gefiel. Aber stärker noch als ihr Argwohn war das unbeschreibliche Gefühl, endlich einen Menschen gefunden zu haben, der so war wie sie.
Theo drückte die Wiedergabetaste an ihrem MP3-Player. Im nächsten Moment hallte Sting aus den Kopfhörern. Melancholisch besang er sein Dasein als Englishman in New York.
Obgleich Alex den Sänger mochte, war ihr Theos Gespür für ihre Vorlieben doch ein wenig unheimlich. Wie viele Gemeinsamkeiten konnten auf identischen Genen beruhen? Oder hatte er sie nur gründlich studiert? Es machte wohl wenig Sinn, sich darüber in Spekulationen zu ergehen. Zunächst musste sie ihre Aufregung unter Kontrolle zu bringen, um wieder klar nachdenken zu können.
Hinter der bleiverkleideten Brille schloss sie die Augen und drückte sich tief in den Ledersitz. Ihre feuchten Handflächen rieben über die Oberschenkel. Sie versuchte sich zu entspannen, während sie Stings schwermütigem Gesang lauschte.
»I’ m an alien,
I’m a legal alien,
I’m an Englishman in New York…«
Sie spürte Kies unter ihren Sohlen. Immer noch blind, ließ sich Alex von ihrem Begleiter in ein Haus führen. Die Fahrt hatte wohl länger als eine Stunde gedauert. Nachdem die Tür hinter ihr geschlossen worden war, durfte sie endlich die Brille abnehmen.
»Willkommen auf Theo’s Castle« , verkündete Theo mit raumgreifender Geste. Durch sein Grinsen ließ er erkennen, dass der Name des Anwesens nicht ganz ernst gemeint war.
Gleichwohl fand sich Alex in einer Diele von etwa sechs mal sechs Yards wieder, deren Großzügigkeit tatsächlich an ein Schloss denken ließ. Einzig das Ambiente hatte so gar nichts von jener Verstaubtheit, die oft in altenglischen Herrenhäusern anzutreffen war. Der Boden bestand aus schwarzem Marmor, die Wände aus strahlend weißem Rauputz, milchige Glaszylinder verbreiteten ein gleichermaßen helles wie auch weiches Licht. Nur ein paar schwarz lasierte Stützbalken ließen erkennen, dass Theos Anwesen schon einige Jahre, wenn nicht Jahrhunderte überdauert hatte. Von der quadratischen Vorhalle führte rechter Hand eine Treppe ins Obergeschoss. Ferner sah Alex gegenüber dem Eingang und zu ihrer Linken zwei Gänge.
»Wie gefällt es dir?«, fragte Theo wie ein stolzer Hausbesitzer.
»Bis jetzt wunderbar. Wir scheinen den gleichen Geschmack zu haben.«
»Warte erst ab, bis du den Rest gesehen hast. Wie wär’s mit einem kleinen Nachtmahl?«
»Eigentlich bin ich noch…«
»Ich habe einen Imbiss vorbereiten lassen. Lass dich überraschen. Komm, ich zeige dir den Speisesalon.«
Er führte seinen Gast die Treppe hinauf in einen Saal, in dem – eine entsprechende Sitzordnung vorausgesetzt – gut und gerne fünfzig Personen hätten dinieren können. Momentan beherrschte das Zentrum des Raumes nur ein langer Tisch aus Glas und poliertem Aluminium. Drum herum reihten sich zehn oder zwölf Stühle mit schwarzem Lederbezug, deren hohe schmale Lehnen sich nach oben hin verjüngten. Wie schon im Eingangsbereich standen auch hier spiegelnde Marmorflächen mit weiß verputzten Wänden in einem schlichten Wechselspiel, das allerdings hier und da von modernen Gemälden belebt wurde. An zwei Wänden gab es jeweils vier Fenster mit den für englische Landhäuser typischen Quer- und Längsstreben. Jenseits davon herrschte absolute Dunkelheit. Die Innenwände waren auf Augenhöhe mit einer Reihe von indirekt beleuchteten Nischen aufgelockert, in denen nackte Figuren beiderlei Geschlechts standen.
»Schau dich in Ruhe um«, sagte Theo, während er mit beiden Händen auf seine Skulpturensammlung deutete. »Ich verschwinde kurz in die Küche und bin sofort wieder da.«
»Könnte ich kurz telefonieren?«, fragte Alex. »Ich bin Hals über Kopf aus dem Haus gestürzt, ohne meiner Freundin eine Nachricht zu hinterlassen.«
Theo verzog das Gesicht. »Das geht leider nicht. Ich habe kein Telefon.«
»Das ist nicht
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