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Die Galerie der Lügen

Titel: Die Galerie der Lügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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Angelegenheit an die Öffentlichkeit gekommen, hätte die Royal Army nicht nur einen herben Imageverlust einstecken müssen, sondern sich auch mit horrenden Schadensersatzforderungen konfrontiert gesehen. Die Sache lief darauf hinaus, dass der General ehrenhaft entlassen und Shaw vom Dienst suspendiert wurde. Man gestattete ihm jedoch, »freiwillig« aus der Armee auszutreten. Der Preis war sein Stillschweigen gewesen.
    Bei ArtCare hatte man den erfahrenen Ermittler mit Kusshand genommen. Im Vergleich zu den Dinosauriern der Versicherungsbranche war das zum MacKane-Konzern gehörende Unternehmen ein Newcomer. Nichtsdestotrotz hatte es sich unter der Leitung von Dr. Martin Cadwell im Revier der Platzhirsche behaupten können. Sein Rezept klang wie die Quadratur des Kreises: aggressive Preispolitik, Anheuerung von Spitzenkräften und Konzentration aufs Kerngeschäft, das er bei jeder Gelegenheit mit einfachen Worten umriss:
    »Wir versichern die kostbarsten Ausstellungsstücke der wichtigsten Museen und Galerien auf diesem Planeten.«
    »Was haben Sie gesagt?«
    Darwin blinzelte. Hatte er gerade das Kredo seines Chefs vor sich hin gemurmelt, ohne es zu merken? Er wandte sich nach links und blickte in das Gesicht der hübschen Brünetten, die den undankbaren Mittelplatz abbekommen hatte. Ihr Arm drückte warm gegen den seinen. Er verzog das Gesicht. »Nichts. Ich habe nur laut nachgedacht. Bitte entschuldigen Sie.«
    Sie lächelte, und ihre dunklen Augen wanderten dabei über sein Gesicht. »Kein Problem. Fliegen Sie geschäftlich nach Wien? «
    »Ja.« Flirtet sie mit dir? Darwin empfand seine Wirkung auf Frauen manchmal als lästig, weil er Oberflächlichkeit nicht ausstehen konnte. Eine Freundin – sie war Kunststudentin – hatte einmal geschwärmt, er habe das typische Gesicht eines antiken Helden. Wenn er morgens in den Spiegel blickte, sah er etwas anderes. Das runde Kinn, die markanten Kiefer- und Backenknochen, die zwar gerade, aber ein wenig zu flache Nase und die nach seinem Geschmack etwas zu tief in den Höhlen liegenden dunklen Augen – war das wirklich der Adonis, den das weibliche Geschlecht unwiderstehlich fand? Immerhin hatte das knallharte Trainingsprogramm bei der Royal Army seinen Körper in eine athletische Form getrimmt. Leider ließen ihm der Büroalltag und die vielen Dienstreisen oft wenig Zeit, um seinen Waschbrettbauch im Fitnessstudio zu konservieren. Aber im Designeranzug machte er mit seinen sechs Fuß und einem Zoll nach wie vor eine akzeptable Figur. Das dunkelbraune, fast schwarze Haar trug er jetzt länger als früher, wenngleich es immer noch kürzer als ein Streichholz war und so aufrecht stand, wie er sich selbst kerzengerade zu halten wusste – äußerliche Reminiszenzen an den Dienst in der Royal Army.
    Weil er mit seinen Gedanken allein sein wollte, widerstand Darwin der Versuchung, sich auf ein Wortgeplänkel einzulassen. Er riss die Zeitung aus der Tasche am Vordersitz und versenkte den Blick darin.
    Der warme Ellbogen zog sich zurück. Die Botschaft war angekommen.
    Um nicht am Ende doch in ein Gespräch verwickelt zu werden, vertiefte sich Darwin tatsächlich in die Times. Seine Aufmerksamkeit wurde bald von einer fast reißerisch klingenden Überschrift angezogen. Als er die Einleitung überflog, spürte er einen Sog, dem er nicht mehr entkam. Er musste den ganzen Artikel lesen.
     
     
    TURBOLADER FÜR DIE EVOLUTION
     
    London – (ps) Die Debatte um die ethischen Aspekte der humangenetischen Forschung ist neu entbrannt. In welchem Umfang sollen Embryonen für die Forschung verwendet werden? Darf die Wissenschaft das Erbmaterial des Menschen gezielt verändern, um der Evolution auf die Sprünge zu helfen? Ist es ethisch vertretbar, Menschen nicht nur zu therapeutischen Zwecken zu klonen, sondern auch zur Reproduktion ganzer Individuen? Spricht etwas dagegen, Designerbabys im Internet zu bestellen? Zu diesem Fragenkomplex sollen am 30. Oktober die Weichen neu gestellt werden, wenn das britische Unterhaus über ein weit reichendes Gesetz abstimmt.
    Seit dem Jahr tausendwechsel weht ein frischer Wind durch die Parlamentsgebäude an der Themse. Als das Unterhaus am 19. Dezember 2000 das zehn fahre zuvor verabschiedete Gesetz zur künstlichen Befruchtung reformierte, ging ein Aufschrei durch Europa. Immerhin stimmten damals noch 174 britische Abgeordnete gegen den wegweisenden Entwurf, 366 waren dafür. Einige Wochen später legitimierten die Volksvertreter das so genannte

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