Die Galerie der Nachtigallen
Kammerdiener, der
bei einer unzüchtigen Handlung ertappt worden war, ein
Fälscher und zwei Taschendiebe. Endlich bogen sie von der
Holborner Hauptstraße in den Castle Yard ab. Ein angenehmer
Ort; die wenigen Häuser standen weit auseinander, und jedes
war von süß duftenden Rosengärten und
Obstbäumen umgeben. Fortescues Haus war das
großartigste; es stand allein auf seinem Grundstück, ein
massiger Fachwerkbau mit schwarzen Holzbalken, so dick und
mächtig wie Eichenstämme, vergoldet und mit
verschlungenen Schnitzereien verziert. Zwischen dem schwarzen
Holzwerk leuchtete der weiße Putz wie frischer Schnee. Jedes
der vier Stockwerke ragte ein Stück über das
darunterliegende hinaus, und ein jedes hatte Glasfenster mit
Bleieinfassungen verstärkt. Cranston hob den großen, wie
ein Ritterhandschuh geformten Messingklopfer und ließ ihn
hart gegen die Tür fallen. Ein Diener rief von innen, und als
Cranston dröhnend verkündet hatte, wer sie seien,
öffnete dieser die Tür und bat sie in eine dunkel
getäfelte Diele mit Wollteppichen auf dem Fußboden und
goldgetönten Gobelins an den Wänden.
Als sie eine
Eichentreppe hinauf zu einer langgestreckten Galerie geführt
wurden, wo es so dunkel war, daß die Wachskerzen in ihren
silbernen Haltern bereits brannten, fiel Athelstan auf, wie
kühl es war.
Der Diener klopfte an
eine der Türen.
»Herein!«
Die Stimme klang sanft und kultiviert.
Der Raum, den sie
betraten, war rechteckig; die Wände waren rot gestrichen und
mit silbernen Sternen verziert, und der polierte Fliesenboden war
mit Teppichen bedeckt; auch hier leuchteten Kerzen, denn das Licht
war matt und das Bleiglasfenster hoch über dem Schreibtisch
klein. Die Kerzen tauchten den mächtigen Eichentisch in einen
Kreis von Helligkeit. Oberrichter Fortescuc thronte dahinter; er
bewegte sich kaum, als sie eintraten. Eine beringte Hand trommelte
weiter leise auf der Tischplatte, während die andere mit
Dokumenten raschelte. Fortescue war ein hochgewachsener, strenger
Mann, völlig kahlköpfig, mit messerscharfen Zügen
und Augen, hart wie Feuerstein. Er begrüßte Sir John
Cranston mit gezwungener Wärme, aber als Athelstan sich
vorstellte und seine Aufgabe beschrieb, lächelte der
Oberrichter nur eisig und wies ihn mit einem kurzen Augenflackern
in seine Schranken.
»Höchst
ungewöhnlich«, knurrte er, »daß ein
Mönch außerhalb seines Ordens tätig ist, noch dazu
in einem so niederen Amte.«
Cranston schnaubte
unhöflich und hätte sich eingemischt, wenn Athelstan
nicht gleich geantwortet hätte. »Oberrichter
Fortescue«, sagte er, »meine Ämter sind meine
Sache. Ihr wolltet, daß wir herkommen. Ich habe nicht um
Audienz gebeten.«
Cranston rülpste
laut Zustimmung.
»Wie wahr, wie
wahr«, murmelte Fortescue. »Aber dieses Zusammentreffen
wurde von jemandem veranlaßt, der mächtiger ist als
ich.« Er lächelte ohne Heiterkeit, nahm ein Messer, mit
dem man Pergament schneidet, und hielt es behutsam mit beiden
Händen im Gleichgewicht. »Wir leben in seltsamen Zeiten,
Bruder. Der alte König ist tot, zum erstenmal seit
fünfzig Jahren haben wir einen neuen König, und der ist
ein Kind. Gefährliche Zeiten sind das - Feinde im Innern und
Feinde außen.« Er senkte die Stimme. »Manche
Leute sagen, ein starker Mann sei nötig, um das Reich zu
regieren.«
»Wie zum
Beispiel Euer Patron, Seine Gnaden John von Gaunt, der Herzog von
Lancaster?« unterbrach Cranston. »Wie Seine Gnaden, der
Herzog von Lancaster«, äffte Fortescue ihn nach.
»Er ist der Regent; der verstorbene König hat es in
seinem letzten Willen so verfügt.«
»Regent«,
wiederholte Cranston scharf. »Nicht König.«
»Manche Leute sagen, er sollte es sein.«
»Dann sind
manche Leute Spitzbuben und Verräter!« bellte
Cranston.
Fortescue
lächelte wie einer, der einen bestimmten Weg gehen wollte, und
nun sehen muß, daß dieser versperrt ist.
»Natürlich, natürlich, Sir John«, murmelte
er. »Wir kennen einander gut. Aber Gaunt ist der Regent, und
er braucht Freunde und Verbündete. Andere Lords trachten nach
seinem Kopf, und im Unterhaus tuschelt man von Verschwörungen,
von hohen Staatsausgaben, vom notwendigen Frieden mit Frankreich
und Spanien; man wehrt sich dort gegen Steuern, die aber nötig
sind.«
»Das Unterhaus
hat vielleicht recht«, erwiderte Cranston bissig.
»Was andere
angeht, vielleicht«, meinte Fortescue. »Aber der Regent
ist unerschütterlich in seiner Loyalität zum jungen
König, und er sucht
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