Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Galerie der Nachtigallen

Die Galerie der Nachtigallen

Titel: Die Galerie der Nachtigallen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Harding
Vom Netzwerk:
Büttel postiert werden, von denen jeder
den ihm zugewiesenen Teil des Marktes im Auge behielt, und andere
sollten sich unter die Menschenmenge mischen. Das würde die
Zahl von Dieben, Schwindlern und Beutelschneidern, die solche Orte
heimsuchten wie die ägyptische Heuschreckenplage, drastisch
verringern. Seine Gedanken schweiften umher, und er
überließ es seinem Pferd, den Weg durch die Menge zu
finden.
    Athelstan zog sich die
Kapuze über den Kopf, als er die Hitze der Sonne im Nacken
spürte. Er fragte sich, was Sir John in Newgate
wollte.
    Sie ließen die
Cheapside hinter sich und ritten auf die alte Stadtmauer zu, in der
das berüchtigte Gefängnis untergebracht war; vorbei an
der kleinen Kirche von St. Nicholas Le Quern in der Nähe der
Blow Bladder Street und auf den großen, freien Platz vor dem
Gefängnis, das im Grunde nur aus zwei mächtigen, durch
eine große Mauer verbundenen Türmen bestand. Der Platz
vor dem Newgate, dachte Athelstan, ist die Hölle auf Erden. In
der Mitte war ein Markt, dessen Stände nach außen
gewandt waren, aber Luft und Boden waren vergiftet von Blut,
Schmutz und Kot aus dem Schlachthaus. Wenn das Vieh geschlachtet
wurde, bahnte sich der Unrat seinen Weg, und manchmal sammelte sich
das Blut in großen, schwarzen Pfützen, über denen
Schmeißfliegen wimmelten. Athelstan war froh, daß
Cranston beschlossen hatte, den Platz zu Pferde zu überqueren.
Der Markt war voller Menschen, die sich schiebend und stoßend
einen Weg zu den Ständen bahnten; Hitze, Staub und Fliegen
förderten die Stimmung nicht. Vor dem Gefängnistor
drängte sich jede Verworfenheit unter Gottes Himmel:
Taschendiebe, Betrüger, Zuhälter, aber auch die
Verwandten von Schuldnern und anderen Häftlingen, die
versuchten, Zutritt zu den Ihren zu erhalten. Cranston und
Athelstan stellten ihre Pferde an einer schmierigen Taverne unter
und gingen zu Fuß, sich gewaltsam durch die Menge
drängend, zu dem mächtigen Gefängnistor zurück.
Davor stand ein Wärter auf einem Bierfaß; er
läutete eine Glocke, die wie das Totenglöckchen den
Lärm übertönte.
    »Ihr Gefangenen
«.brüllte er dazu, »die ihr für eure Bosheit
und Sünde dort drinnen seid - wisset, daß es euch nach
mancherlei Gnade bestimmt ist, vor der Mittagsstunde morgen zu
sterben!«
    Unaufhörlich
brüllte er den üblichen Unsinn von Gottes Gnade und der
Gerechtigkeit, die über alles gehe. Cranston und Athelstan
drängten sich an ihm vorbei und hämmerten an das Tor. Ein
Gitter tat sich auf, und dahinter erschien ein böse
blickender, schmalgesichtiger, gelbhäutiger Kerl mit
wäßrig blauen Augen und schmalem Mund.
    »Was wollt
Ihr?« fauchte der Kerl, und seine Lippen
entblößten schwarze Zahnstummel. Cranston schob sein
Gesicht dicht an das Gitter.
    »Ich bin Sir
John Cranston, Coroner des Königs für diese Stadt. Jetzt
mach schon auf!«
    Das Gitter
schloß sich wieder, und man hörte Schritte. Eine kleine
Seitentür in dem großen Tor öffnete sich. Ein mit
einer Keule bewaffneter Wächter kam heraus und drängte
die anderen zurück, während Cranston und Athelstan
hereingewinkt wurden. Sie schoben sich an dem Torwächter
vorbei, und sein Gestank ließ sie schier würgen. Sie
betraten die Wachstube, ein kleines Gelaß, wo der
Gefängnisaufseher die neuen Gefangenen
begrüßte.
    »Ich will den
Aufseher Fitzosbert sprechen!« befahl Cranston .
    Der Torwächter
grinste und führte sie durch einen dunklen, von üblem
Geruch erfüllten Gang in eine zweite Kammer, wo der Aufseher
von Newgate, Fitzosbert, hinter einem großen Eichentisch
hockte wie ein König auf seinem Thron. Athelstan hatte schon
von dem Mann gehört, aber er sah ihn jetzt zum ersten Mal.
Tatsächlich kannte jeder, der in London irgend etwas mit dem
Gesetz zu tun hatte, Fitzosberts furchterregenden Ruf. Fitzosbert,
ein sehr reicher und daher mächtiger Mann, hatte als Aufseher
des Gefängnisses von Newgate Zugriff auf alles, was die
Gefangenen besaßen, und die Vergabe von Konzessionen —
für Unterkünfte, Leinen, Kohle, Speisen, Getränke,
sogar Weiber — unterstand ihm auch. Wer ins Gefängnis
kam, mußte eine Gebühr bezahlen, und Athelstan erinnerte
sich, daß eines seiner Gemeindekinder, weil er nicht hatte
bezahlen können, für seine Armut verprügelt worden
war, während Fitzosbert lächelnd danebengestanden hatte.
Der Aufseher, so folgerte Athelstan, war kein angenehmer Mann, und
als er ihn jetzt vor sich sah, glaubte er jede Geschichte, die er
je gehört hatte. Der

Weitere Kostenlose Bücher