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Die Galerie der Nachtigallen

Die Galerie der Nachtigallen

Titel: Die Galerie der Nachtigallen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Harding
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Das ist der eigentliche Grund, weshalb ich hier bin. Wer die
Söhne des Dives sind, hatte ich schon halb erraten. Aber wenn
ich Gift kaufen wollte, ein seltenes, exotisches Gift wie
Belladonna, gemahlene Diamanten oder Arsen - wohin würde ich
da gehen?«
    Der junge Mann sah zu
Athelstan hinüber.
    »Jedes Kloster,
jedes x-beliebige Ordenshaus hat sowas. Das Zeug wird oft für
die Farben benutzt, die sie zusammenmischen, um ihre Manuskripte zu
schmücken.«
    »Ah ja; aber man
kann ja nicht gut an der Klosterpforte anklopfen, um ein wenig Gift
bitten und dann erwarten, daß der Vater Abt oder der Prior es
einem gibt, ohne Fragen zu stellen. Ohne daß er sich
sorgfältig notiert, wer man ist und wozu man es braucht. Wo
also noch? Beim Apotheker, Master Solper?«
    Cranston lehnte seinen
massigen Wanst über den Tisch. Athelstan beobachtete ihn
besorgt. Der Tisch war nicht der stabilste, und er ächzte und
stöhnte protestierend unter der Last.
    »Master
Solper«, fuhr Cranston jetzt im Plauderton fort, »ich
bin hergekommen, um dir dein Leben anzubieten. Das ist vielleicht
nicht viel, aber wenn du meine Frage beantwortest, dann kann ich
dafür sorgen, daß eine Begnadigung verfügt wird -
unter den üblichen Bedingungen: daß du dem Reich
abschwörst. Du weißt, was das bedeutet? Du mußt
schnurstracks zum nächsten Hafen, dich einschiffen und
wegfahren. Irgendwohin -Outremer, Frankreich, Skythien, Persien -,
aber nicht England, und ganz gewiß nicht London. Du
verstehst?«
    Der junge Mann leckte
sich die Lippen. »Ja«, murmelte er. »Und wenn du
meine Neugier nicht befriedigst«, fuhr Cranston fort,
»klopfe ich an diese Tür und gehe, und morgen baumelst
du. Also: Wenn ich in London ein Gift kaufen will, wohin gehe ich
da?«
    »Zum
Nachtschattenhaus.«
    »Wo ist
das?«
    »Es gehört
Simon Foreman. Steht in einer kleinen Gasse ...« Der junge
Mann verdrehte die Augen und konzentrierte sich darauf, alles in
die richtige Ordnung zu bringen. »Genau, die Straße
heißt Piper Street. Das Nachtschattenhaus in der Piper
Street. Simon Foreman verkauft alles - zu entsprechenden Preisen,
und ohne Fragen zu stellen. Wahrscheinlich stammt das Gift aus
dieser Phiole von ihm. Er könnte es Euch genau
sagen.« 
    »Noch eine
Frage. Sir Thomas Springall - du kanntest ihn?« Der junge
Mann deutete mit dem Kopf zur Tür. »Wie Fitzosbert hatte
er eine Vorliebe für Knaben, je jünger und biegsamer,
desto besser; das munkelt man wenigstens. Er ging in Häuser,
wo solche Leute sich treffen. Springall war auch Geldverleiher.
Wucherer. Er hatte wenige Freunde und viele Feinde. Man tratschte
über ihn.« Der junge Mann trank seinen Becher leer,
hielt ihn mit beiden Händen umfaßt und starrte auf den
Krug, in dem noch Wein war. »Es war nur eine Frage der Zeit,
wann jemand die Informationen ausnutzen würde.« Er
zuckte die Achseln. »Aber Springall hatte mächtige
Freunde bei Hof und in der Kirche. Kein Büttel oder Konstabler
hätte ihn je angerührt. Er und seinesgleichen treffen
sich in einer Taverne vor der Stadt, an der Mile End Road - sie
heißt >Gaveston<. Da könnt Ihr kaufen, was Ihr
wollt, solange Ihr in gutem Gold bezahlt. Mehr weiß ich
nicht.«      
    Im selben Augenblick
schlug Fitzosbert draußen an die Tür. »Sir John,
seid Ihr fertig?«
    »Ja!« rief
Cranston. »Hör zu«, sagte er, zu Solper gewandt.
»Du weißt ganz sicher nichts weiter?«
    Derjunge Bursche
schüttelte den Kopf. »Ich habe Euch alles erzählt,
was ich weiß. Die Begnadigung ... Ihr werdet Euer Wort
halten?« »Selbstverständlich. Gott schütze
dich, Solper«, knurrte er und ging zur Tür, die
Fitzosbert gerade aufriß. Der Coroner schob den
Gefängnisaufseher sanft vor sich her, nahm seine Börse
hervor und ließ ihm ein paar Münzen klimpernd in die
Hand fallen.
    »Ich danke
nochmals für Eure Gastfreundschaft, Fitzosbert«, sagte
er. »Kümmert Euch um unseren Freund hier. Noch ein
bißchen Wein, eine bessere Zelle und morgen kommt ein Brief
vom Rathaus. Ihr werdet entsprechende Maßnahmen ergreifen.
Ihr versteht?«
    Fitzosbert grinste und
zwinkerte. »Selbstverständlich, Sir John. Ich werde
alles tun, was mir ein so glänzender Coroner der Stadt
befiehlt.«
    Cranston zog eine
Grimasse, und er und der Ordensbruder verließen diesen
abscheulichen Ort, so schnell es die Würde zuließ. Als
das große Tor von Newgate dröhnend hinter ihnen zufiel,
lehnte Cranston sich dagegen und schnappte nach frischer Luft. Sein
massiger Wanst bebte wie der

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