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Die Galerie der Nachtigallen

Die Galerie der Nachtigallen

Titel: Die Galerie der Nachtigallen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Harding
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an einem Metzgerstand und darauf
warteten, mit Salz und Kuminsaat eingerieben zu werden, bevor sie
geteert würden. Athelstan schauderte und er verschränkte
die Arme unter dem üppigen Faltenwurf seiner Kutte. Irre
Gesichter drückten sich an die Türgitter, Gefolterte
flehten um Gnade. Die Schuldigen brüllten ihren Haß
hervor, die Unschuldigen baten leise noch einmal um Gehör.
Endlich blieb Fitzosbert vor einer Zellentür stehen und
schnippte mit den Fingern. Einer der beiden Riesen schlurfte
herbei, einen Schlüsselbund in der mächtigen Faust. Ein
Schlüssel wurde ins Loch geschoben, die Tür öffnete
sich. Fitzosbert flüsterte etwas, und der Riese nickte und
drängte sich in die Zelle. Man hörte Schreie, Tritte,
einen dumpfen Schlag, und dann brüllte der Oger den Namen
Solpers. Gleich darauf kam er heraus und hatte den
Unglücklichen beim Kragen seines zerlumpten Hemdes gepackt.
Fitzosbert näherte sich dem Gefangenen und berührte sanft
seine Wange.
    »Master Solper,
du hast Glück. Du hast wichtigen Besuch. Jemand, den du,
glaube ich, kennst: Sir John Cranston und seinen«, er warf
Athelstan einen koketten Blick zu,
»Gefährten.«
    Der Ordensbruder
achtete nicht auf ihn, sondern starrte Solper an. An dem Gefangenen
war nichts Bemerkenswertes: er war jung, bleich und so verdreckt,
daß man kaum erkennen konnte, wo ein Kleidungsstück
endete und ein anderes begann.
    »Wir brauchen
einen Raum, um mit diesem Mann zu reden«, verlangte
Cranston.
    Der
Gefängnisaufseher zuckte die Achseln und führte sie durch
einen Korridor zu einer sauberen, leeren Zelle. Die Tür blieb
offen, und Cranston winkte Solper, er solle sich setzen.
    »Aufseher!« schrie er
dann.
    Fitzosbert kam wieder
herein, und Cranston legte ein bißchen Silbergeld auf den
Tisch.
    »Wein, Brot und
zwei Eurer saubersten Becher!«
    Der Aufseher nahm die
Münzen behende wie ein Steuereintreiber an sich. Wenig
später kam einer der riesigen Wärter in die Zelle und
brachte ein Tablett mit allem, was Cranston verlangt hatte. Er
stellte es auf den Tisch, stapfte hinaus und schlug die Tür
hinter sich zu. Der junge Gefangene saß unruhig auf seinem
Schemel und beobachtete Athelstan. Cranston nahm einen der Becher
und einen kleinen Laib Weißbrot und drückte ihm beides
in die Hand.
    »Na, Solper, so
trifft man sich wieder.«
    Der Mann leckte sich
nervös die Lippen.
    Cranston grinste wie
ein Wolf. »Du bist verurteilt?« »Gestern«,
quiekte der junge Mann; seine Stimme war überraschend
hell.
    »Was warf man
dir vor?«
    »Münzfälschung.«
    »Ah ja. Nun,
darf ich bekanntmachen, Bruder«, sagte er, zu Athelstan
gewandt. »Master Solper, Fälscher, Dieb,
Straßenräuber und Reliquienverkäufer. Noch vor zwei
Jahren konnte Master Solper dir alles besorgen: ein Stück
Stoff von den Mundtüchern des Letzten Abendmahles, ein Haar
aus dem Bart des heiligen Joseph, ein Stück von einem
Spielzeug des Jesuskindes. Was Master Solper nicht schon alles
versucht hat... weiß Gott. Bist du
gebrandmarkt?«
    Der junge Mann nickte
und zog sein schmutziges Wams herunter. Athelstan sah das
große »F«, das in die rechte Schulter gebrannt war und ihn als
>Felon< kennzeichnete, als Verbrecher.
    »Zweimal
verurteilt, zum drittenmal erwischt«, säuselte Cranston.
»Du mußt hängen - und doch könntest du der
Gerechtigkeit entgehen.«
    Athelstan sah Hoffnung
in den Augen des jungen Mannes aufflackern, während er unruhig
auf seinem Schemel herumrutschte.
    »Was wollt Ihr?
Was muß ich tun?«
    »Die Söhne
des Dives ... hast du von denen schon mal
gehört?«
    Der junge Mann verzog
das Gesicht.
    »Ja oder
nein?«
    »Ja, die kennt
doch jeder. In den Gilden«, fuhr der junge Mann fort,
»gibt es kleine Gruppen oder Gesellschaften, die zu hohen
Zinsen Geld an Adelige oder an andere Kaufleute verleihen. Sie
geben sich Namen und Titel: die Wächter des Tores, die Wahrer
des Schatzes ...« Er zuckte die Achseln. »Die
Söhne des Dives sind auch so eine Gruppe.«
    »Und ihr
Anführer?«
    »Springall. Sir
Thomas Springall. Der ist sehr bekannt.«
    »Nun zu einer
anderen Sache.«
    Cranston wühlte
in einer kleinen Lederbörse, die er aus seiner Satteltasche
genommen hatte, und zog die Phiole mit dem Gift hervor, die aus
Springalls Haus stammte. Er nahm den Stopfen heraus und reichte ihm
das Röhrchen. »Rieche einmal daran.«
    Der junge Mann hob
behutsam das Gefäß an die Nase, schnupperte kurz, verzog
das Gesicht und reichte die Phiole zurück.
    »Gift.«
    »Gut, Solper.
Gift.

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