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Die Gamant-Chroniken 01 - Das Licht von Kayan

Die Gamant-Chroniken 01 - Das Licht von Kayan

Titel: Die Gamant-Chroniken 01 - Das Licht von Kayan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen M. O'Neal
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erschafft den Tag und die Nacht und läßt das Licht verlöschen…«
    Graue Haarsträhnen fielen über Talos Augen. Er schaute sich in dem winzigen Zimmer um. Obwohl es nur ein ausgebranntes Gemäuer war, hatten sie alles getan, um sich hier wohnlich einzurichten. Sie hatten tagelang geschuftet, um die Asche und die verkohlten Balken des eingestürzten Dachs aus dem einzigen Raum zu schaffen, der noch zu reparieren war. Dann hatten sie sich Dachbalken gestohlen … Nein, unterbrach er sich, sie hatten die Balken nicht gestohlen. Sie hatten sie in den Überresten der nicht völlig verbrannten Häuser von Freunden gesammelt. Von toten Freunden. Von Menschen, die nicht gewollt hätten, daß sie alter Ehrvorstellungen wegen nachts gefroren hätten. Nachdem das Dach geflickt war, hatte Myra alte, verblaßte Heiligenbilder in einer unregelmäßigen Reihenfolge an die rußgeschwärzten, ehemals gelben Wänden gehängt. Sie war ein gutes Mädchen, auch wenn ihr das künstlerische Gespür seiner geliebten Darla abging, die jetzt seit vierzehn Jahren tot war. Und er hatte nicht das Recht, sich über das Arrangement der Bilder oder sonst etwas zu beklagen. Seit dem Holocaust auf dem Platz war er so recht zu nichts mehr nütze gewesen. Der Schmerz in seiner Schulter schien nicht aufhören zu wollen, und immer wieder versuchte er, mit dem fehlenden Arm nach irgendwelchen Gegenständen zu greifen, weil es ihm so vorkam, als könnte er den Arm noch immer warm und lebendig spüren. Myra hatte alles in ihrer Macht stehende getan, um diese Ruine in ein Heim zu verwandeln, und er empfand tiefe Dankbarkeit für ihre Mühe. Er warf ihr einen liebevollen Blick zu. Sie saß mit gesenktem Kopf am anderen Ende des Tisches und murmelte leise vor sich hin. Sie war in ein zerknittertes dunkelbraunes Gewand gekleidet, und das braune Haar hing ihr als strähnige Masse über die Schultern herab. Ihr hageres Gesicht zeigte einen gehetzten Ausdruck, und die Wangenknochen stachen wie bei einer Leiche hervor – doch so sehen wir alle, die wir überlebt haben, jetzt aus.
    »… Mit unendlicher Barmherzigkeit hast du das Volk des Hauses Horeb geliebt. Und – oh! – entziehe uns nicht Deine Liebe. Gesegnet seist Du, der Ewige, der das gamantische Volk hegt und schützt.«
    Talo schloß die Augen und antwortete inbrünstig: »Höre, o Horeb, den Ewigen und Gott, den Ewigen und Einzigen.«
    Myra hielt einen Moment inne, und Talos leidenschaftliche Worte schienen in der von Kerzen erleuchteten Stille nachzuklingen. Als Myra fortfuhr, schien ihre Stimme gestärkt. »Habe acht, daß dein Herz nicht von falschen Bildern getäuscht wird und du dich abwendest und fremden Göttern dienst und dich vor ihnen in den Staub wirfst. Denn dann wird sich der Zorn des Ewigen gegen dich richten, und er wird die Himmel verschließen, auf daß kein Regen herabfalle, und du wirst zugrunde gehen auf dem gelobten Land, das der Ewige dir einst gegeben hat. Gesegnet seist du…«
    Genau das war in den vergangenen drei Jahren geschehen, dachte Talo und nickte unwillkürlich. Die Gamanten hatten sich dem Mashiah und seinem fremden Gott Milcom zugewandt, und eine Dürre hatte das Land verwüstet. Epagael hatte sie in Seiner Weisheit für ihre Abirrung bestraft. Liebevoll gestraft, so wie ein Vater den Sohn straft, damit das Kind erkennt, welchen Weg es in seinem Irrtum eingeschlagen hat und wieder auf den Pfad der Wahrheit und Rechtschaffenheit zurückkehrt.
    »Er ist es«, betete Myra mit einem Zittern in der Stimme, »der uns aus der Hand der Könige befreite: Er, unser König, der uns aus der Gewalt aller Tyrannen befreite.«
    Diese Worte bezogen sich natürlich auf die Befreiung der Gamanten von der Herrschaft des bösen Edom Middoth, doch sie galten auch für jene, die sich in dieser schrecklichen Zeit Milcom zugewandt hatten. Viele betrachteten die Magistraten als Tyrannen, in deren Gewalt sich die Gamanten noch immer befanden. Und deshalb glaubten sie, Epagael hätte sie betrogen. Doch Talo wußte es besser. Die Worte wirbelten aus der Dunkelheit der Geschichte empor. Sie hatten nichts mit der Gegenwart zu tun. Von einem Punkt abgesehen. Die Ankunft des wahren Mashiah stand dicht bevor. Talo wußte es, konnte es in den Tiefen seiner gemarterten Seele fühlen. Und er würde sie für alle Ewigkeit befreien, wenn er sein tausendjähriges Königreich in der Galaxis errichtete.
    »Gesegnet seist du, o Ewiger, der du dem gamantischen Volk den Frieden geschenkt

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