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Die Gamant-Chroniken 01 - Das Licht von Kayan

Die Gamant-Chroniken 01 - Das Licht von Kayan

Titel: Die Gamant-Chroniken 01 - Das Licht von Kayan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen M. O'Neal
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vermischten.
    Talo erschauderte, als sich die Augen des Sergeants verengten. Der Mann machte einen Schritt vorwärts und rief: »Ich sagte Beeilung!«
    »Ja, ja, in Ordnung«, erwiderte Talo verwirrt. »Ein Bündel? Was soll ich nehmen?«
    »Onkel?« Myra eilte mit niedergeschlagenen Augen an den Wachen vorbei zu ihm. »Laß mich dir helfen.«
    »Niemand hilft irgendwem«, grollte der Sergeant. »Jeder kümmert sich um seine eigenen Sachen. Wenn dieser alte Mann nicht in der Lage ist, eine Auswahl zu treffen, lassen wir ihn eben zurück.«
    Zurücklassen? überlegte Talo. Meinte der Soldat damit, er könnte daheim bleiben, wenn er nicht stark genug für die vor ihnen liegende Aufgabe war? Vielleicht sollte er sich der Gnade des Mannes ausliefern? Dann könnte er Tag und Nacht die alten Schriften studieren und die kryptischen Worte Gottes entschlüsseln. Ja, das wäre ein willkommenes Schicksal. Selbst wenn er dabei verhungern würde.
    »Herr«, fragte er unterwürfig und drehte sich zur Seite, um den Armstumpf an seiner Schulter zu zeigen. »Ich tauge nicht mehr für harte Arbeit und wäre von keinerlei Nutzen für Sie. Lassen Sie mich bitte hierbleiben, wo ich…«
    Der Soldat warf den Kopf in den Nacken und brüllte vor Lachen, bis er sich den schmerzenden Bauch halten mußte. »Du bittest darum?«
    Talo schaute Myra an. Sie stand wie angewurzelt da, die Augen vor Entsetzen weit aufgerissen.
    »Er weiß nicht, was er sagt«, flehte sie händeringend. »Er ist so alt, daß er …«
    »Halt den Mund!« sagte der Sergeant scharf und schlug ihr hart ins Gesicht. »Ich brauche kein dummes Bauernmädchen, das mir irgendwas erklärt!«
    »Tun Sie ihr nichts!« rief Talo, stürmte instinktiv voran und drückte den Mann zur Seite.
    Im gleichen Augenblick wurde ihm klar, daß er einen Fehler gemacht hatte. Eine Schar graugekleideter Männer umzingelte ihn mit erhobenen Knüppeln und Gewehren.
    »Nicht!« hörte er Myra verzweifelt aufkreischen, als der erste Schlag seine Schläfe traf. »Laßt ihn in Ruhe! Er kann arbeiten!«
    Talo stürzte zu Boden, krümmte sich unter den Schlägen zusammen und spürte, wie ihm Blut über das Gesicht und aus dem Mund lief. Ein Mann schlug mehrmals auf seinen Hinterkopf ein. Unerträglicher Schmerz durchraste ihn. Hatte der Sergeant das gemeint? Bedeutete »zurücklassen« ihn zu töten?
     
    Myra hatte die Arme schützend um den Leib gelegt und schaute angsterfüllt die Straße entlang. Die Soldaten hatten ihren Onkel aus dem Haus gezerrt und mitten in die Menschenmenge geworfen. Er lag jetzt ausgestreckt zu ihren Füßen, und das Blut lief ihm noch immer über Kopf und Rücken. Die Wunde an seinem abgeschossenen Arm hatte sich wieder geöffnet und verströmte kleine Rinnsale auf die Erde.
    Im silbernen Mondlicht blickte Myra zu den Menschen hinüber, die zwischen ihren Habseligkeiten mitten auf der Straße hockten. Kinder irrten weinend durch die Menge und riefen die Namen von Eltern, die ihnen nicht mehr antworten konnten. Ein paar Leute versuchten sie zu beruhigen, scherzten mit ihnen oder versprachen, sie würden ihre Eltern schon wiederfinden, wenn sie erst am Zielort angekommen wären. Die meisten Erwachsenen hatten sich zu Gruppen zusammengefunden. Aus manchen Gepäckstücken ragten Kerzen heraus, in anderen schimmerten goldene Becher. Viele hatten schützend ihre Gebetbücher an die Brust gepreßt. Hatten sie alle den Verstand verloren? Die Wachen führten diese Leute in den Tod, und sie klammerten sich an ihren Schmuck? Wut stieg in Myra auf. War denn aller Sinn aus dem Universum verschwunden?
    Sie hob das Kinn und schaute flehend zu den Sternen empor, die rings um den zunehmenden Mond funkelten. Kalter Wind strich die Straße entlang.
    »Epagael, wo bist du?«

 
KAPITEL

18
     
     
    Sarah saß auf dem langen weißen Flur des provisorischen Regierungsgebäudes in Capitol und fühlte sich unwohl. Das Bauwerk war zur Aufnahme der Truppen eingerichtet worden, die man nach Kayan geschickt hatte, um die dort aufflammenden Unruhen niederzuschlagen, und so wimmelte es hier von Soldaten in purpurnen Uniformen, die durch die Korridore marschierten und Sarah im Vorbeigehen böse Blicke zuwarfen. Glaubten diese Männer, sie wäre für ihre Versetzung in die »kulturelle Einöde« Kayans verantwortlich? Sarah hörte, wie mehrere Soldaten sich in dieser Richtung äußerten. Sie strich ihre schwarze Robe glatt, zupfte nervös an der einzelnen Litze und blickte hin und wieder besorgt den Flur

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