Die Gamant-Chroniken 01 - Das Licht von Kayan
Magistraten sind außerordentlich effizient, was die Verteilung von Waren und Personal angeht.«
Sarah blickte auf ihre Hände hinab. Unbewußt rollte sie den Stoff ihres schwarzen Gewandes zu kleinen Hügeln auf, die sie dann wieder glättete.
»Miss Calas, verzeihen Sie mir, wenn ich so offen spreche, aber Ihr Volk hat jahrhundertelang unter der Starrsinnigkeit Ihres Vaters gelitten. Wir haben sehr viel anzubieten. Lassen Sie uns Ihnen helfen.«
Ein grimmiges Lächeln kräuselte ihre Lippen. Jedesmal, wenn die Magistraten in der Vergangenheit Hilfe leisteten, hatten sie ihnen im Gegenzug die Kinder genommen. Sie hatten behauptet, die Erziehung sei ihr wichtigstes Anliegen und die Gamanten wären zu rückständig, um den eigenen Nachwuchs vernünftig zu unterrichten. Sie »trainierten« die Kinder entsprechend ihren Vorstellungen, und die gamantische Zivilisation hatte auf diese Weise eine ganze Generation scharfsinniger Geister verloren. Sarah hob den Kopf und funkelte ihn an. »Und die Kosten?«
»Bitte?«
»Die Kosten.« Sie beugte sich vor und stützte sich mit einer Faust auf den Tisch. »Zu welchem Preis?«
»Nun…« Er machte eine abwertende Handbewegung. »Üblicherweise verlangen wir ein paar kleinere Veränderungen in der sozialen Struktur. Beispielsweise würden wir gern eine Rechtsschule auf Kayan einrichten und …«
»Und alle Kinder wären gezwungen, sie zu besuchen, da ihre Eltern andernfalls Gefängnisstrafen zu erwarten hätten? Wird das nicht andernorts auf genau diese Weise gehandhabt?«
»Das ist unterschiedlich. Die Vorgehensweise wird normalerweise auf die jeweilige Gesellschaft zugeschnitten. Aber wir erwarten natürlich eine gewisse Kooperation im Ausgleich für die Waren und Dienste, die wir anbieten.«
»Kooperation?« Sie spie das Wort förmlich aus. Ohne daß es ihr bewußt war, glomm in ihren Augen ein violettes Leuchten auf, als wollte sie jeden Moment über den Tisch springen und ihn angreifen. »Ich nenne das Erpressung.«
Silbersay strich unbeeindruckt die goldenen Litzen an seiner Uniform glatt und schwieg. Was dachte er über sie? Hielt er sie für dumm? Oder für schwach?
»Colonel, wir können Ihren Forderungen unmöglich zustimmen. Magistratische Unterrichtsprogramme sind zu dem Zweck entworfen, kulturelle Eigenheiten zu vernichten, insbesondere religiöser Natur, und das können wir nicht zulassen!«
»Religion«, erwiderte er nachdenklich, »unterdrückt die technologische und intellektuelle Entwicklung. Die Regierung versucht lediglich, Ihre abergläubischen Vorstellungen zu umgehen, und nicht etwa, sie zu vernichten. Auf diese Weise soll der auf den hochentwickelten Welten bereits erreichte gesundheitliche und soziale Wohlstand auch auf die Außenbezirke der Galaxis ausgedehnt werden.«
Sarah sprang auf und schob dabei ihren Stuhl so heftig zurück, daß er quietschend über die Fliesen rutschte. »Vielen Dank für das Gespräch, Colonel. Doch ich kann Ihnen versichern, daß wir weder jetzt noch zu irgendeinem späteren Zeitpunkt Ihre Unterstützung brauchen.« Sie wandte sich zur Tür, doch seine befehlsgewohnte Stimme hielt sie auf.
»Miss Calas…« Er wartete, bis sie sich umdrehte und seinem harten Blick begegnete. Seine Augenbrauen waren zornig herabgezogen. »Die wenigen, weit verstreuten regierungseigenen Einrichtungen auf diesem Planeten haben seit dem Tod Ihres Vaters beträchtliche Angriffe hinnehmen müssen. Ich hoffe, Ihnen ist bewußt, daß wir gezwungen sind, Ihren Planeten im Rahmen einer defensiven Maßnahme zu unterwerfen, sofern diese Gewalttätigkeiten nicht aufhören.«
»Defensive Maßnahme?«
»Wir schlagen zurück.«
»Sie werden nicht …«
»Ich habe bis jetzt insofern von derartigen Maßnahmen abgesehen, als ich die Unruhen als vorübergehenden Ausdruck des Kummers über den Verlust Ihres Vaters betrachtet habe. Doch sobald ich den Eindruck gewinne, daß gezielte terroristische Aktionen dahinter stehen, bleibt mir keine andere Wahl.«
Sarah stand wie erstarrt da und versuchte sich die Zerstörung vorzustellen, die das Feuer der Strahlenkanonen in den kleinen, überall auf der üppig bewachsenen Oberfläche Kayans verstreuten gamantischen Dörfern anrichten würde. »Colonel Silbersay … hat die Regierung meinen Vater ermorden lassen?«
Er blickte sie überrascht an. »Ich weiß, daß die Aufrührer davon überzeugt sind. Aber ich versichere Ihnen, daß wir nichts damit zu tun hatten. Ihr Vater war ein wohlbekannter
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