Die Gamant-Chroniken 01 - Das Licht von Kayan
anfreunden kann.«
»Wir werden ihn erwarten.« Als wäre die Diskussion vorüber, drehte Rachel sich auf dem Absatz um und ging zur Tür.
Jeremiel sprang von seinem Platz auf, packte ihren Arm und zog sie zu sich herum. »Sie werden jeden einzelnen Befehl befolgen, den ich Ihnen gebe, ist das klar? Keine heroischen Taten, keine Verbesserungen an meinen Plänen, kein…«
»Jeden Befehl – buchstabengetreu.«
Trotz seines Zorns und seiner Sorgen bemerkte Jeremiel, daß ihr Arm unter seinem festen Griff zitterte. Er blinzelte, als er sich der Schrecken bewußt wurde, die ihre Seele quälen mußten. Sie hatte sich soeben selbst dem Dämon ausgeliefert, der ihren Ehemann und hunderte ihrer Freunde getötet hatte. Langsam lockerte er seinen Griff, ließ sie schließlich los und schob die Hände tief in die Taschen.
Mit einer Stimme, die kaum hörbar schwankte, murmelte Rachel: »Was haben Sie vorhin gesagt? Sie würden derjenige sein, der mit mir in den Palast geht?«
Er nickte. »Mitten hinein in die Drachenhöhle. Sie und ich.«
»Ich bin schon dort gewesen, Jeremiel. Es ist da eher wie in den Gruben der Finsternis. Dort wird man uns beiden die Seele rauben.«
»Kurz vor dem Morgengrauen sehen die Dinge immer so aus.« Er nickte ihr aufmunternd zu und zwang sich zu einem Lächeln, das aber nicht von Herzen kam. »Doch es gibt immer einen Morgen.«
Hinter ihnen schnappte jemand scharf nach Luft, ein Stuhl rutschte kreischend über den Boden und kippte dann um. Die beiden wirbelten mit klopfendem Herzen herum. Jeremiel ging in die Hocke und zog instinktiv die Pistole, während seine Augen den Raum absuchten.
»Lieber Gott«, krächzte Rathanial und deutete mit zitternden Fingern auf das dunkle Ende der Höhle. »Wie lange ist das schon dort?«
Der große Schatten bewegte sich über Decke und Wände, wallte über den unregelmäßig behauenen Stein und verschwand ohne einen Laut in der ebenholzfarbenen Schwärze der entferntesten Ecke des Zimmers.
Jeremiel richtete sich mit immer noch heftig pochendem Herzen auf. Er wischte sich den Schweiß von der Oberlippe und meinte: »Wahrscheinlich lange genug.«
KAPITEL
20
Adom saß am Tisch seiner Ratskammer, hatte die Beine weit von sich gestreckt und las in einem Buch, das auf seinem Schoß ruhte. Sonnenlicht fiel durch die geöffneten Fenster hinter ihm, färbte sein Haar und die flachsene Robe safrangelb und fing sich in den goldenen Fäden des karmesinroten Teppichs, die wie kleine Flammen aufleuchteten. Eine riesige Statue Milcoms aus rosa Achat stand zwischen den Türpfeilern und beobachtete – so kam es Adom jedenfalls vor – alles, was im Innern des Zimmers geschah.
Draußen im Gang wurden streitende Stimmen und das Geräusch von Schritten laut. Adom schaute stirnrunzelnd von seinem Buch auf.
»Verschwinde, du alter Narr! Und überlaß es mir, die Angelegenheiten Horebs zu regeln.«
»Du Ballonhirn! Was verstehst du denn überhaupt vom Spionieren?« fragte die Stimme eines älteren Mannes. Funk? »Du brauchst jemand, der dir hilft. Wie bei diesen Plänen für den Lichtschild zum Beispiel. Du könntest …«
Stiefel schlurften über Teppiche, und eine erstickte Stimme stieß unverständliche Laute aus, als ob eine kräftige Hand den Sprecher daran hinderte, sich lautstark zu artikulieren.
Ein paar Augenblicke später rauschte Ornias mit wutverzerrtem Gesicht ins Zimmer. Er trug enganliegende schwarze Kleidung, die seine breiten Schultern betonte. Sein Bart war durcheinandergeraten, und auf seiner gebräunten Stirn glitzerten Schweißperlen.
»Adom! Bist du von allen guten Geistern verlassen?« fragte er und knallte einen Stapel Papier auf den Tisch. »Ich hatte gedacht, es wäre nur eine vorübergehende Grille von dir, die beiden zu beschäftigen, doch das geht wirklich zu weit!«
Adom blinzelte, senkte den Blick und schaute auf den Bericht, der seine Unterschrift trug. »Es ist notwendig, Ornias.«
»Das sind wichtigtuerische Idioten! Wie konntest du sie nur zu deinen persönlichen Adjutanten machen? Lieber Gott, mich schaudert, wenn ich daran denke, was passieren wird, wenn du sie zum ersten Mal mit einer wirklich dringenden Botschaft zu mir schickst. Wir werden noch selbst zu unseren größten Gegnern!«
»Sie sind nicht so naiv wie sie erscheinen«, verteidigte Adom sich leise mit Milcoms Worten, während er die Hände über dem Buch auf seinem Schoß verschränkte. Er haßte es, wenn Ornias ihn anbrüllte, weil er sich dann so dumm
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