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Die Gamant-Chroniken 01 - Das Licht von Kayan

Die Gamant-Chroniken 01 - Das Licht von Kayan

Titel: Die Gamant-Chroniken 01 - Das Licht von Kayan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen M. O'Neal
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und sah den angewiderten Zug um ihre Lippen und den harten Glanz in ihren Augen. »Was wissen Sie, Rachel?«
    Sie zuckte die Achseln. »Ich bin mir nicht sicher. Ich hatte immer den Eindruck, daß eine gewisse Wärme von ihm ausging, aber ich dachte, jeder würde das empfinden. Er ist sehr charismatisch. Doch es stimmt, daß er… mir nie direkt etwas angetan hat«, sagte sie mit einem sonderbaren Unterton in der Stimme. »Er hat meine Kameraden getötet, doch mich selbst hat er immer sehr freundlich behandelt. Beinahe …«
    »Zärtlich«, ergänzte Rathanial mit heftigem Nicken.
    Aller Augen richteten sich auf Rachel. Das Feuer überzog ihre Olivenhaut mit rosa- und bernsteinfarbenen Reflexen und erhellte die schmalen Linien um ihren zusammengepreßten Mund.
    »Erzählen Sie mir mehr davon?« fragte Jeremiel neugierig. »Der Mashiah hegt ›zärtliche‹ Gefühle für Sie?«
    »Das habe ich nicht gesagt. Ich weiß nicht, was er für mich empfindet.«
    »Wirkte er bei seinen Audienzen mitfühlender und sanfter als anderen gegenüber?«
    »Ja.«
    Er setzte sich wieder hin und dachte einen Moment darüber nach, während er sie weiterhin betrachtete. Der Schweiß auf ihren nackten Unterarmen glitzerte im schwachen Licht wie ein dünner Film, während sie nervös die Finger ineinander verhakte. Sie wußte, daß Rathanial recht gehabt hatte. Das konnte er daran erkennen, wie ihr Blick suchend durch den Raum irrte, als wolle sie etwas bestreiten, das sie doch nicht leugnen konnte.
    »Rachel, glauben Sie, daß er in Sie vernarrt ist? Aus Liebe? Aus Lust? Oder gibt es noch eine andere Möglichkeit?«
    »Ich kann seine Gefühle schlecht beurteilen.«
    Er blickte zu Rathanial hinüber, der sich über den weißen Bart strich. »Höchst Ehrenwerter Vater?«
    »Schwer zu sagen. Wenn man allerdings Adoms Naivität berücksichtigt, würde ich eine gewisse Verliebtheit vermuten.« Er machte eine Pause. »Das könnte sehr nützlich sein.«
    »In der Tat.« In der Tat! Doch würde der Mashiah Rachel all die Sünden vergeben, die sie begangen hatte? Daß sie die Rebellion angeführt und den Tempel gesprengt hatte? Wenn seine Gefühle für Rachel stark genug waren – vielleicht. Und die Möglichkeiten, die sich daraus ergaben, waren atemberaubend. Ein Spion, den der Mashiah mit offenen Armen empfangen würde? Eine potentielle Geliebte, deren Worten er ohne große Prüfung Glauben schenken würde? Das wäre ein wahres Gottesgeschenk. Er stemmte die Ellbogen auf den Tisch und verschränkte die Hände unter dem Kinn. Doch das konnte sie nicht tun. Jetzt verstand er Rathanials und Harpers Enttäuschung, die aus Verzweiflung geboren war.
    »Ich möchte wissen«, sagte Rachel leise, »wie der Plan aussah.«
    Rathanial machte eine Handbewegung. »Oh, ich wollte Sie in den Palast zurückschicken, damit Sie sein Vertrauen gewinnen und ihn ablenken, während wir unsere Truppen auf den Kampf mit seinen Streitkräften vorbereiten. Und dann, in der letzten Minute, nachdem Sie Ihre Aufgabe erledigt haben, könnten Sie ihn töten, und wir hätten nur sehr geringe Verluste. Der Krieg wäre kurz und…«
    »Natürlich, sofern der Anführer zuerst stirbt.« Jeremiel rieb sich heftig die Stirn. »Sobald seine Soldaten wissen, daß er tot ist, verlieren sie den Mut und flüchten wie Käfer vor einer Flamme. Wir könnten die Stadt mit einem Minimum an Blutvergießen einnehmen.«
    »Ja, wenn das Zentrum des Glaubens verschwindet, stirbt die Religion.«
    »Ein toter Mashiah ist ein falscher Mashiah.«
    »Genau.«
    »Soll das heißen«, fragte Rachel mit einem Zittern in der Stimme, »wenn ich zurückgehe…« Sie schluckte schwer, und ihre weiteren Worte kamen nur noch als Flüstern heraus. »Wenn ich zurückgehe und sein Vertrauen gewinne, was immer … was immer das bedeuten mag, sterben weniger von unseren Leuten im Kampf um die Stadt?«
    »Das ist es, was ihm vorschwebt«, erwiderte Jeremiel, »aber vergessen Sie es. Ich will nicht, daß Sie das tun. Wir werden jemand anderen finden.«
    »Es gibt niemand anderen.« Ihr Blick suchte den seinen. Der Kummer in ihren Augen traf ihn mitten ins Herz. Sie sah aus wie ein Opferlamm an einem hohen Feiertag.
    »Rachel, das können wir nicht wagen.«
    Mit der Stimme einer Mutter, die von ihrem Kind Abschied nimmt, murmelte sie: »Lassen Sie mich zurückgehen.«
    »Nein! Sie sind nicht dazu in der Lage!«
    »Ich kann es schaffen.«
    Er schüttelte heftig den Kopf und richtete den Blick auf die flackernde Kerze, die

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