Die Gamant-Chroniken 01 - Das Licht von Kayan
vor ihm auf dem Tisch stand. Sie warf einen schwachen Schimmer über die rötlichen Dessertäpfel, die sich in den Facetten der Kristallgläser spiegelten.
»Es ist unsere beste Chance«, dränge Rathanial. »Doch zuerst müssen wir Sie vorbereiten.«
»Vorbereiten?« fragte Rachel.
»Ja, wir müssen Sie passend kleiden. Weiß der Himmel, wie wir hier die entsprechenden weiblichen Kleidungsstücke auftreiben sollen, aber wir werden das schon irgendwie schaffen. Und mit Ihrer Erlaubnis, meine Liebe, sollten wir… äh … die Buchstaben AKT in Ihre Stirn einprägen.«
»Seine Initialen?« fragte sie ungehalten. »Wozu? Als Zeichen seines Besitzanspruchs?«
»Nein, nein, nichts dergleichen. Wissen Sie, diese Buchstaben finden sich auch auf seiner eigenen Stirn, doch er glaubt nicht, daß sie etwas mit seinem Namen zu tun haben. Er betrachtet sie eher als Zeichen für Gottes Wertschätzung. Offenbar hat Milcom ihm das gesagt.« Rathanials Gesicht verdüsterte sich. »Und wenn wir diesen Plan tatsächlich verwirklichen, sollten Sie sich daran erinnern, daß Adom behauptet – und auch Zeugen dafür hat –, ein flammender Mann hätte sie ihm am Tag seiner Geburt in die Stirn gebrannt. Sie sind ein Symbol seiner Salbung.«
»Ich verstehe. Na schön, wenn es nötig ist.«
»Es ist nicht nötig«, erklärte Jeremiel ernst.
»Lassen Sie mich gehen, Jeremiel.« Sie berührte seinen Arm mit kühlen, zarten Fingern.
Er warf ihr einen vorsichtigen Blick zu und bemerkte die Veränderung. In ihre mitternachtsdunklen Augen war ein abwesender Ausdruck getreten, als würden die Schatten der Vergangenheit an ihr vorbeiziehen, und auf ihren Zügen zeichnete sich neugewonnener Mut ab.
»Rachel, das können Sie nicht.«
»Ich gehe«, sagte sie entschieden.
»Nein, das werden Sie nicht«, meinte er und hätte angesichts ihrer plötzlichen Entschlossenheit beinahe gelacht. »Ich arbeite nämlich nicht mit jemandem, dem ich nicht vertrauen kann.«
Sie stand auf und biß die Zähne zusammen, als sie Rathanial herausfordernd anschaute. »Sie brauchen Jeremiel nicht. Ich gehe zurück in den Palast, wenn Sie jemand anderen finden, der diese Mission leiten kann.«
Rathanials Augen weiteten sich, und er runzelte nachdenklich die Stirn. »Meine Liebe, er ist das Gehirn des Ganzen. Ich glaube kaum …«
»Verdammt, Rachel. Sie können das nicht allein schaffen. Sie brauchen Unterstützung innerhalb des Palasts, um die Berichte nach draußen zu leiten. Darüber hinaus ist hier ein ganzes Netz von Mitarbeitern erforderlich, die Ihre Nachrichten in Empfang nehmen, auswerten und entsprechend in der Planung umsetzen. Ohne mich könne Sie gar nicht auskommen, Süße!« Er schlug mit der Faust auf den Tisch.
»Und?« fragte Rachel. »Kommen Sie mit?«
Gereizt warf er die Hände hoch und fragte sich, wie sie es so schnell geschafft hatte, die ganze Situation auf den Kopf zu stellen. »Rathanial, das ist dein Spiel. Du hast mich hergebeten, um meinen Rat zu hören.«
»Und wie lautet dieser Rat?«
»Nehmt nicht Rachel. Die Sache ist es wert, soviel Zeit wie nötig darauf zu verwenden, jemanden zu finden, auf den wir uns verlassen können. Den Mashiah umzubringen ist keine Aufgabe für jemanden, der zu empfindlich ist, um …«
»Zu empfindlich für was?« Sie stützte sich mit einer Hand auf die Rückenlehne seines Stuhls und blickte mit einer Mischung aus Besorgnis und Zorn auf ihn herab. Zudem sah er in ihren Augen den Hauch einer Bitte, als würde sie ihn insgeheim anflehen, eine Chance zu nutzen, von der er wußte, daß er es nicht durfte.
Er knirschte mit den Zähnen. »Tun Sie mir das nicht an, Rachel. Mein Leben hängt von meiner Fähigkeit ab, Menschen und deren Fähigkeiten einzuschätzen. Ich kenne die Menschen. Und wir alle werden es bereuen, wenn Sie der Angelpunkt dieses Unternehmens sind.«
Sie versteifte sich und blickte ihm weiterhin in die Augen, obwohl sie zu Rathanial sprach. »Ehrenwerter Vater, wer wird sich um meine Tochter kümmern?«
»Das, meine Liebe, ist der Grund, weshalb ich Vater Harper zu dieser Versammlung hinzugezogen habe. Er hat standhaft alle meine Angebote ausgeschlagen, um sich weiterhin der Erforschung der kindlichen Psyche widmen zu können. Zudem kann er beachtliche Erfolge als Lehrer vorweisen. Wenn Sie ihn also für akzeptabel halten …«
»Das tue ich.«
Rathanial stieß ein erleichtertes Seufzen aus und nickte. »Ausgezeichnet. Ich schicke ihn morgen vorbei, damit er sich mit Sybil
Weitere Kostenlose Bücher