Die Gamant-Chroniken 01 - Das Licht von Kayan
mit Zorn darauf. Natürlich, Gott war Ornias niemals leibhaftig erschienen; dennoch deutete eine derartige Feindseligkeit darauf hin, daß der Glaube des Ratsherrn nicht so gefestigt war, wie er sein sollte. Er hatte sich selbst vor drei Jahren geschworen, sich darum zu kümmern, doch irgendwie hatte er nie die nötige Zeit dazu gefunden – und auch nicht die rechte Lust. Zu seiner Schande mußte er sich sogar eingestehen, daß er seinen Stellvertreter eigentlich gar nicht besonders mochte.
»Ornias …«
»Pst!« Der Ratsherr hob unwillig die Hand. Er wollte sich bei seinen Überlegungen nicht stören lassen. Adom schloß gehorsam den Mund und wandte seine Aufmerksamkeit den rosafarbenen Marmorbögen zu, die im grellen Mittagslicht aufzuglühen schienen.
Schließlich hielt Adom es nicht länger aus und platzte heraus: »Milcom hat das Lagerhaus gefüllt, mußt du wissen. Die Lebensmittel sind nicht einfach aus dem Nichts erschienen.«
»Hm?« machte Ornias geistesabwesend.
»Milcom«, erklärte Adom mit fester Stimme, »versorgt uns mit Nahrung, wenn wir hungern.«
»Sei nicht albern. Das Lagerhaus wurde gefüllt, weil ich jedes bißchen Nahrung in Seir habe beschlagnahmen lassen. Die sorgfältige Verteilung begrenzter Reserven – das ist es, was die Menschen am Leben erhält.«
»Was glaubst du denn, woher die Menschen die Lebensmittel hatten!« verteidigte Adom sich entsetzt. »Milcom hat jeder Familie einen Laib Brot gegeben und Milch für die Kinder. Er hat …«
»Natürlich, Adom«, unterbrach Ornias ihn harsch. »Ich wollte nicht behaupten, daß Gott keinen Anteil an unserem Erfolg hatte, sondern nur, daß kluge politische Maßnahmen häufig …« Er zuckte die Achseln, als wollte er einen kneifenden Mantel abschütteln. »Du weißt schon, hilf dir selbst, dann hilft dir Gott.«
»Deine Zweifel lassen mich schaudern.«
»Ich entschuldige mich, Mashiah.« Er hob die Augenbrauen, als müsse er große Mühsal ertragen. »Ich bin nur müde, das ist alles. Meine Worte spiegeln nicht unbedingt meinen Glauben wieder. Die letzten zwei Wochen waren sehr hart.«
»Dessen bin ich mir durchaus bewußt.«
»Tatsächlich? Gut.« Ornias durchbohrte ihn mit seinen kalten grünen Augen. »Dann werden dir meine Ideen sicher gefallen, wie wir Calas’ Namen nutzen können. Es wird einiger verdeckter Aktionen auf Planeten wie Kayan bedürfen, doch wir verfügen über genügend talentierte und loyale Mitstreiter, die in den militärischen Künsten ausgebildet sind und durchführen können, was mir vorschwebt.«
»Und das wäre?«
»Sowie ich mir über die Details im klaren bin, werde ich dich in Kenntnis setzen. Auf diese Weise wird deine kostbare Zeit nicht durch bedeutungslose Erwägungen vergeudet.«
Das entsprach nicht dem, was Ornias wirklich meinte, doch Adom verfügte nicht über das nötige Selbstvertrauen, um ihn herauszufordern. »In Ordnung.«
Ornias wandte sich zum Gehen, doch Adoms Stimme hielt ihn auf. »Ratsherr … hast du schon etwas von Rachel Eloel gehört?«
»Wirst du ungeduldig?«
»Das trifft es nicht genau. Es gibt nur ein paar Dinge, die Milcom und ich gern erledigen würden.«
»Nun, mach dir keine Sorgen. Es sollte jetzt nicht mehr lange dauern. Ich arbeite daran, sie zurückzuholen.«
»Du …«
»Natürlich.«
Adom betrachtete den selbstzufriedenen Gesichtsausdruck des Mannes und verschränkte die Arme. Er scheute sich davor, noch weitere Fragen zu stellen, war sich aber auch nicht sicher, ob das überhaupt eine Rolle spielte. Milcom hatte gesagt, Rachel würde zurückkommen. Nur das zählte.
»Sehr gut, Ratsherr. Mach so weiter.«
Ornias verneigte sich leicht, wandte sich dann in einem Wirbel schwarzen Stoffes um und schritt zwischen den marmornen Pfeilern hindurch auf den Korridor hinaus. Seine Stiefel hämmerten dumpf auf den dicken Teppichen.
Adom richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf das Fenster und starrte sehnsüchtig zu den roten Gipfeln hinüber, die in der Hitze des Tages zu flirren schienen. Er blieb lange so stehen und dachte über Rachel Eloel, Ari und Yosef nach. Und über den Schlachtkreuzer, der zweifellos sogar jede Bewegung der winzigen Steinameisen verfolgte.
Irgendwann legte er den Kopf lauschend schräg, denn ihm war, als würde er leise die klagenden Laute der Trompeten hören, die zum Jüngsten Gericht riefen.
Jeremiel räkelte sich auf dem unbequemen Stuhl in Rathanials Privatgemächern, während er zuschaute, wie der alte Mann einen
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