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Die Gamant-Chroniken 01 - Das Licht von Kayan

Die Gamant-Chroniken 01 - Das Licht von Kayan

Titel: Die Gamant-Chroniken 01 - Das Licht von Kayan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen M. O'Neal
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»Niemand weiß, daß du kommst.«
    Sie lief mit wehendem Mantel die Straße hinab, wurde dann langsamer und schlich lauschend an der Palastmauer entlang. Die Torflügel standen offen. Wo waren die Wachen?
    Sie bog um die Ecke, schlüpfte in den Garten und blieb im Schatten eines kleinen Pavillons stehen. Mondlicht tröpfelte auf ihr Gesicht, als sie den Kopf hob und die Treppe aus rosafarbenem Marmor betrachtete, die wie ein gewaltiger Fächer zu den Bronzeportalen hinaufführte. Der Eingang der Drachenhöhle.
    Aber … wo waren die Wachen?
    Rachel schaute sich forschend zwischen den häßlichen Steinstatuen um. Hier waren immer Wachen. Irgendwo in den finsteren Schatten sah sie kurz etwas Goldenes aufblitzen. Ihr Herz stockte. Angespannt starrte sie in die Dunkelheit, doch für lange Zeit rührte sich dort nichts. Die ganze Welt schien sich in ein schweigendes Grab verwandelt zu haben. Nur der Wind bewegte sich und strich leise flüsternd um die Pavillons.
    Dann rührte sich jemand im Schatten der nächsten Statue. Das Mondlicht schimmerte auf dem umgedrehten Dreieck, das von seinem Hals herabhing. Er ging langsam und hatte die Hände hinter dem Rücken verschränkt, als wäre er tief in Gedanken versunken. Das silberne Licht fing sich in seinem weiten blauen Umhang, als der Wind ihn aufblähte.
    Rachel preßte eine Hand auf den Mund, um den Schrei zu ersticken, der in ihr aufstieg, und griff mit der anderen nach dem Torpfosten des Pavillons, um sich zu stützen. Mit Angst gemischter Haß überschwemmte sie wie eine Droge und lähmte ihre zitternden Beine. Sie konnte nur bewegungslos zusehen, wie er näherkam.
    Als er nicht mehr als zehn Fuß entfernt war, blieb er stehen und schaute plötzlich auf. Angesichts der Dunkelheit war sie sich nicht ganz sicher, doch es schien ihr, als umspiele ein leises Lächeln seine Lippen. Er sagte sanft: »Rachel? Oh, ich bin so froh, daß du hier bist. Gott hat gesagt, du würdest kommen. Ich warte hier schon seit Stunden.«
    »Adom, bitte, ich muß mit dir reden. Tu … tu mir nichts.«
    Er trat näher, und sie konnte deutlich seinen betrübten Gesichtsausdruck erkennen. »Nein, natürlich nicht. Darum sind ja auch heute Nacht keine Wachen hier. Milcom meinte, ich sollte dich persönlich empfangen, um dir zu zeigen, daß du hier sicher bist. Ich würde auch nicht zulassen, daß dir irgend jemand etwas antut.«
    Die Erkenntnis der Bedeutung seiner Worte löste Brechreiz in ihr aus. »Du wußtest, daß ich komme?«
    »Oh ja, schon seit Tagen. Ich habe entsprechende Vorbereitungen getroffen.«
    »Das verstehe ich nicht. Ich habe mich erst gestern entschlossen …«
    »Gott weiß um die Dinge, lange bevor wir selbst sie erkennen.«
    »Gott?«
    »Ja, er kam vor knapp einer Woche zu mir, um mir davon zu berichten. Er wollte, daß ich deine Ankunft vor dem Ratsherrn geheimhalte, obwohl er meinte, er hätte den Verdacht, daß Ornias bereits Bescheid wisse.« Er runzelte verwirrt die Stirn. »Ich weiß nicht, warum er das gesagt hat.«
    »Und du … du hast die Wachen fortgeschickt?«
    »Ich wollte nicht, daß sie dir Angst einjagen. Manchmal tun sie Dinge, von denen ich nichts weiß, und ich wollte sichergehen, daß niemand dich verletzt.«
    »Verletzt?« fragte sie zitternd. »Du willst mich nicht töten, nach allem, was ich getan habe?«
    »Eine Zeitlang wollte ich das«, gab er beschämt zu. Im silbernen Mondlicht bemerkte sie, daß sein Kinn zitterte. »Ich habe damals nicht verstanden, daß du mich brauchst. Gott hat mir geholfen, die Wahrheit zu erkennen. Er möchte, daß du Ihm nahe bist, bevor die Zerstörung beginnt.«
    »Die Zerstörung? Von was?«
    »Oh, von allem.« Er lächelte freundlich.
    Wieder stieg in Rachel heftige Übelkeit auf. Ihr wurde plötzlich klar, daß sie sich in die Höhle eines wahnsinnigen Drachen begeben hatte und es keine Rückzugsmöglichkeit mehr gab. Irgendwie mußte sie weitermachen und ihren Teil der Mission erfüllen. Sie erschauerte und schnappte keuchend nach Luft. Adom machte einen Schritt nach vorn und legte schützend die Arme um sie. Sein Samtumhang war warm und roch nach Hyazinthen und Kaffee.
    »Hab keine Angst«, murmelte er sanft. »Komm mit. Ich bringe dich nach drinnen, wo es warm ist und wir miteinander reden können.«
    Rachel hob den Kopf und zwang ihre ausgetrocknete Kehle zu den Worten: »Danke, Mashiah.«
    Er führte sie durch den schattigen Garten und die rosa Marmortreppe hinauf. »Ich habe einen Raum für dich vorbereitet. Ich

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