Die Gamant-Chroniken 01 - Das Licht von Kayan
senkte. »Papa hat etwas in der Art erwähnt … an dem Tag, als wir Ezarin fanden.«
»Nun ja, es wäre allerdings auch möglich, daß Ezarins Tod und der von Zadok zwei Ereignisse waren, die nicht miteinander in Verbindung standen. Es könnte sein …«
»Es könnte sein«, sagte Rathanial müde, »daß Zadok getötet wurde, weil der Mashiah herausgefunden hatte, weshalb ich nach Kayan gereist bin. Ich wollte Zadok bitten, Adoms Echtheit zu überprüfen.«
»Deshalb bist du hergekommen?« fragte Sarah.
Rathanial befeuchtete seine Lippen und schaute sich nervös in der Höhle um, als fürchte er, der ferne Prophet könne ihn hören. »Wir müssen vorsichtig sein. In diesen schlimmen Zeiten gibt es überall ›Ohren‹.«
»Willst du sagen, der Mashiah hat Papa ermorden lassen, damit er ihn nicht prüfen kann?«
»Er ist ein sehr grausamer Mann und fürchtet, als der Betrüger entlarvt zu werden, der er ist.«
»Aber das beweist noch nicht …«
»Ich bin auch nicht sicher. Wie du weißt, hatte Zadok tausend Feinde. Es könnte auch ein Plan der Magistraten dahinter stecken. Oder ein paar der Energiehändler haben endlich herausgefunden …«
»Aber du glaubst, es war der Mashiah.« Sie beugte sich nachdenklich vor. Das Licht drang durch ihr schwarzes Haargeflecht und warf ein Muster aus spitzen Schatten auf ihre runden Wangen. »Du hast auch an dem Tag, als wir Ezarin fanden, gesagt, er sei dafür verantwortlich.«
»Ja, aber da kann ich mich auch geirrt haben. Meine Wahrnehmung ist zur Zeit stark eingeschränkt. Ich mache Adom für alles Böse verantwortlich, das geschieht.«
»Nach deinen Briefen zu urteilen«, meinte Jeremiel und holte tief Luft, »würde ich sagen, daß deine Reaktion ganz natürlich ist.« Er nahm einen weiteren Bissen von dem wohlschmeckenden Brot und betrachtete nachdenklich die Spitzen seiner schwarzen Stiefel, während er kaute.
»Ja, aber genau das erschreckt mich.«
»Dann muß ihn eben jemand prüfen«, sagte Sarah.
Rathanial blinzelte. »Weißt du denn wie?«
Sarah griff in ihre Rocktasche, zog das Mea Shearim hervor und hielt es an der Kette auf Armeslänge von sich weg. Ihre Stimme zitterte leicht. »Papa starb, bevor er es mir sagen konnte.«
»Das habe ich befürchtet. Das bedeutet, der Weg durch den Schleier ist für immer verloren. Wir müssen eine andere Möglichkeit …«
»Vielleicht.«
Der alte Mann fuhr herum und blickte sie scharf an. »Was meinst du? Ich dachte, Zadok wäre der einzige gewesen, der gewußt hat, wie …«
»Das stimmt. Aber er hat auch immer gesagt, jeder könnte es herausfinden, wenn er nur lange genug die alten Bücher durchforscht.«
»Welche alten Bücher?«
Ihre dünnen schwarzen Brauen zogen sich über der Nase zusammen und sie öffnete den Mund, als wollte sie antworten, zögerte dann aber. Jeremiels Blick wanderte von ihr zu Rathanial. Wie es aussah, hielt keiner den anderen für vertrauenswürdig, obwohl beide das nicht offen zugeben wollten. Das bot Stoff zum Nachdenken. Was sah Sarah in Rathanial, das sie zweifeln ließ? Und umgekehrt?
»Sarah!« rief Rathanial scharf. »Sag es mir!«
»Er … er hat sich nie genauer darüber geäußert«, erklärte sie, bewegte dabei jedoch die Augen so unstet, daß Jeremiel diese Aussage, anders als offenbar Rathanial, kaum für glaubhaft hielt. Eine kalte Maske senkte sich über die Züge des alten Mannes.
»Ich verstehe. Nun, dann werden wir unsere Schriftgelehrten sofort an die Arbeit schicken.« Er nahm seine ruhelose Wanderung wieder auf, wobei er mit den Fingern auf seine Unterarme trommelte.
Während er die beiden beobachtete, überkam Jeremiel ein Gefühl, als würde jede Hoffnung aus ihm herauslaufen, ungefähr so, als könnte sich der harte Stein unter ihm jederzeit in Treibsand verwandeln. Gamanten mißtrauten Gamanten – und das zu einem Zeitpunkt, da ihre Gemeinschaft alles war, das ihnen in dieser Galaxis noch blieb. Ein leises Klicken ertönte draußen auf dem Korridor. Jeremiel stieß sich von der Wand ab, richtete sich auf und lauschte konzentriert in die Stille.
»Was ist los?« fragte Rathanial. Seine Augen leuchteten ängstlich auf. Er machte einen Schritt vorwärts. »Hast du etwas gehört?«
»Nur ein … Nein, nichts. Ich … ich bin einfach nur übermüdet, nehme ich an.« Er zwang sich zu einem Lächeln, doch das Gefühl der Gefahr blieb bestehen.
Rathanials Blick schweifte immer wieder zur Tür; dann wandte er sich an Zadoks Tochter. »Es war sehr freundlich
Weitere Kostenlose Bücher