Die Gamant-Chroniken 01 - Das Licht von Kayan
Gefangenen zu zwingen, die Namen anderer ›Dämonenanbeter‹ preiszugeben.«
»Dämonenanbeter?«
»Oh, ja, er betrachtet jeden, der an Epagael glaubt, als Mitglied von Aktariels Kohorten.«
»Er selbst propagiert einen anderen Gott, nehme ich an?«
»Milcom. Ein Pseudo-Gott, den er sich aus irgendeinem obskuren alten Text herausgesucht hat.«
»Nach der Seuche und der Dürre finde ich es schwer verständlich, daß die Menschen diesem Milcom zulaufen. Sehen sie denn nicht, daß ihre Gesellschaft zerfällt, seit der Mashiah an die Macht gekommen ist?«
Rathanial nahm einen tiefen Schluck Wein und lehnte sich dann stirnrunzelnd auf seinem Stuhl zurück. Schließlich blickte er auf und sagte: »Ich verstehe es genauso wenig, außer das Adom eine derart überzeugende Ausstrahlung besitzt, daß die Menschen gar nicht anders können, als seinen Erklärungen Glauben zu schenken, was Horebs Zerstörung betrifft.«
Jeremiel trank den Wein in großen Zügen und wünschte sich, es wäre starker Whiskey aus Ngorora, der seinen inneren Schmerz rasch lindern würde. »Und wie lauten diese Erklärungen?«
»Irgendwelche lächerlichen Behauptungen, die Seuche und andere Übel würden beweisen, daß Epagael uns der Finsternis ausgeliefert hätte. Und daß eine mächtigere Gottheit erschienen sei, um uns die Erlösung anzubieten.«
»Milcom.«
»Natürlich.«
»Die Leute sollen also konvertieren und dann herrlich und in Freuden leben, richtig?«
»Ja.« Rathanial schloß für einen Moment die Augen und sagte dann mit zitternder Stimme: »Und für die, die konvertieren, trifft das auch zu.«
»Was soll das heißen?«
Rathanial beugte sich vor. »Es … es ist erschreckend, Jeremiel. Sobald Adom Menschen in sein geweihtes Wasser taucht, sind sie gegen die Krankheit immun und …«
»Dann hat er die Seuche vielleicht selbst hervorgerufen und besitzt als einziger das Gegenmittel? Und benutzt es bei seiner mysteriösen Taufzeremonie? Etwas ähnliches hatte ich nach deinen Berichten schon erwartet.«
»Ich danke Gott, daß du meine Botschaften erhalten hast. Zadok hat nichts von dem bekommen, was ich ihm geschickt habe. Er wußte nichts von unseren Problemen, bis ich …«
»Er hat nicht eine einzige deiner Botschaften erhalten?«
»Nein.«
»Wem hast du sie mitgegeben?«
»Unseren besten Kurieren. Loyale Gamanten. Keiner von ihnen ist je von seiner Mission zurückgekehrt.« Ein Ausdruck von Trauer huschte über sein Gesicht, und der Becher in seiner Hand zitterte leicht. »Wir haben natürlich Suchmannschaften ausgeschickt, doch man hat nicht einmal Spuren der Kuriere gefunden.«
Jeremiel zwang sich, ein unbeteiligtes Gesicht zu machen, doch seine Gedanken überschlugen sich. Wenn es sich so verhält, mein Freund, wieso konntest du dann so leicht herkommen? Haben sie dich gehen lassen? Und warum?
»Hattest du irgendwelche Probleme, nach Kayan zu kommen?«
»Nein. Aber ich habe auch außergewöhnliche Vorsichtsmaßnahmen getroffen. Du kannst dir nicht vorstellen …«
»Sicher nicht.« Jeremiel seufzte müde und legte das Mea Shearim in seinen Schoß. Dann leerte er seinen Becher und hielt ihn Rathanial zum Nachfüllen hin. Der alte Mann gehorchte und schenkte das Gefäß voll. Jeremiel spürte leichte Wärme in sich aufsteigen und fühlte, wie der Alkohol sich angenehm in seinem leeren Magen ausbreitete. Zu schade, daß er nicht mehr Zeit hatte. Wenn es möglich gewesen wäre, hätte er sich eine ruhige Ecke gesucht, sich richtig betrunken und dabei selbst verflucht.
»Und nachdem du auf Kayan eingetroffen bist, wurde erst Ezarin getötet und dann Zadok?«
»Ja, aber ich … ich glaube nicht, daß da eine Verbindung besteht. Ich war auf Horeb sehr vorsichtig. Nur eine einzige andere Person wußte von meiner Abreise, ein vertrauenswürdiger Mönch, der schon seit hundert Jahren bei mir ist.«
»Trotzdem ist die Nachricht offensichtlich durchgesickert. Wer ist dieser vertrauenswürdige Mönch?«
»Er kann nicht dafür verantwortlich sein!« beharrte Rathanial heftig. »Ich vertraue Vater Harper mehr als mir selbst! Ich schwöre dir, er hätte es niemals jemandem erzählt.«
»Aber wir können die Tatsachen nicht leugnen. Ezarin und …«
Rathanial schlug mit der Faust auf den Tisch. »Du hast selbst gesagt, die Ereignisse müßten nicht unbedingt miteinander in Verbindung stehen! Wir können nicht mit Sicherheit sagen, ob meine Leute auf Horeb Schuld daran haben!«
»Sicherheit«, sagte Jeremiel und hob die
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