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Die Gamant-Chroniken 01 - Das Licht von Kayan

Die Gamant-Chroniken 01 - Das Licht von Kayan

Titel: Die Gamant-Chroniken 01 - Das Licht von Kayan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen M. O'Neal
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von solchem Ungeziefer in Brand gesetzt wird, oder? Genau deshalb müssen wir auch konkrete Maßnahmen ergreifen, bevor sie außer Kontrolle geraten und die Eingänge stürmen.«
    »Milcom wird sie nähren.«
    Ornias hob seine schmalen, anmutig geschwungenen Augenbrauen und warf Adom einen vernichtenden Blick zu. »Du kannst nicht erwarten …«
    »Er ist nie zu dir gekommen! Und deshalb zweifelst du. Aber er ist zu mir gekommen.«
    »Natürlich, Adom. Reg dich nicht auf.«
    »Du wirst nichts unternehmen, bis du morgen von mir hörst. Und ich will nicht gestört werden, es sei denn, es ist ein Notfall. Ich bin in meinem Gebetsraum.«
    »Sehr gut, aber …«
    Adom bog scharf nach rechts in den nächsten Gang ab und ließ Ornias mit offenem Mund stehen.
    Sein Herz klopfte so stark, daß er kaum atmen konnte. Was glaubte Ornias, wer er war? Er hatte kein Recht, ihn wie ein Kind zu behandeln. Seine Bauchmuskeln verkrampften sich jedesmal, wenn er mit dem Ratsherrn über ein wichtiges Thema verhandeln mußte. Es kam ihm dabei so vor, als würden sie sich über die Läufe ihrer Pistolen hinweg anschauen, während jeder darauf wartete, daß der andere einen Fehler machte. Natürlich war das eine alberne Vorstellung. Ornias unterschied sich nicht von anderen Gamanten. Unter dem freundlichen Äußeren neigten sie alle zu einer gewissen Gewalttätigkeit. Trotzdem ließ Ornias ihn tief in seinem Innern erschauern.
    »Du hast dich in letzter Zeit einfach mit zu vielen Problemen beschäftigen müssen«, murmelte Adom und hoffte, dadurch das hektische Pochen seines Herzens zu mildern. »Es ist alles in Ordnung. Milcom wird dich leiten. Nur keine Angst.«
    Ein eisiger Hauch kroch aus der lachsfarbenen Wand und berührte seine bloßen Füße. Adom ging schneller und schenkte weder den reich mit Brokat verzierten Wandbehängen noch den tausend Jahre alten Mahagonistatuen der Märtyrer Beachtung. Er stieg eine Reihe von Treppen hinunter, die ihn tief in die Eingeweide des Palasts führten, und stand plötzlich keuchend in der Dunkelheit. Die Steine um ihn herum verbreiteten Kälte.
    »Milcom? Ich bin es. Ich komme zu dir.«
    Vor ihm erstreckte sich ein langer Korridor, der bis auf einige Lampen in den Wandnischen leer war. Die Dienerschaft sorgte zwar dafür, daß sie stets brannten, doch die Lampen waren in so großen Abständen angebracht, daß sie nur vereinzelte Lichtflecke auf die hohen, grobbehauenen Wände warfen. Der Gang roch nach Feuchtigkeit und Verfall wie ein großer, steinerner Sarkophag. Adom blinzelte, um die Augen an das düstere Licht zu gewöhnen, und schritt dann schnell auf die Tür am jenseitigen Ende zu. Seine kastanienbraune Robe flatterte hinter ihm her.
    Leise betrat er sein kleines Heiligtum. Der süße Geruch von Sandelholz empfing ihn. Auch hier brannten Lampen, je eine an den vier Wänden. Goldene Lichtreflexe fielen von dem an der gegenüberliegenden grauen Wand hängenden umgekehrten Dreieck auf die in blau und elfenbein gehaltenen geometrischen Muster seines runden Gebetsteppichs. In der Ecke türmten sich mit Stickereien verzierte Kissen.
    Er ging zum Teppich, kniete nieder, senkte den Kopf und bildete mit den Händen das heilige Dreieck. »Milcom, dein Volk braucht dich. Ich brauche dich.« Seine Stimme klang in der kerzenbeschienenen Stille tiefer als sonst. »Bitte, Herr!«
    Als keine Antwort kam, stieg Verzweiflung in ihm auf.
    Entschlossen leerte er seinen Geist, konzentrierte sich und sammelte all seine Ängste in einem einzigen Schrei um Hilfe. Als er den Obdachlosen gegenüber gestanden hatte, war er sich einsam und verloren vorgekommen und hatte nach Anleitung gesucht, die nur Gott ihm gewähren konnte.
    »Milcom, ich beschwöre dich. Wir können nicht überleben ohne …«
    Eine Gestalt trat vor die Lampe zu seiner Linken und warf einen langen, kühlen Schatten über ihn. Adom stieß in plötzlicher Erleichterung die Luft aus und wandte sich um. Milcom stand in königlicher Haltung dort, ein Gott in der Gestalt eines Mannes. Sein muskulöser Körper schimmerte im sanften Licht wie geschnittener Kristall. Das himmlische Wesen trug einen Mantel mit Kapuze, aus chromgrünem Samt, und sein Lächeln erinnerte Adom an die aufgehende Sonne. Freude erfüllte seine Seele.
    »Ich wußte, du würdest kommen, Herr.«
    »Natürlich, Adom. Du bist nie allein. Ich werde immer bei dir sein, wenn du mich wirklich brauchst.«
    »Seit jenem Tag in den Bergen, als du mich gerettet hast, wußte ich, daß du

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