Die Gamant-Chroniken 02 - Die Rebellen von Tikkun
Gamanten war. Einmal im Jahr schickte Jeremiel Scouts nach Tikkun, die sich unter den besten Absolventen der Uni nach geeignetem Nachwuchs für seine Mannschaften umsahen. Und Karyn hatte sich besonders angestrengt, weil sie hoffte, ebenfalls ausgesucht zu werden.
Sie strich sich die blonden Haare aus dem Gesicht und blickte Großvater an. »Letzte Woche hat man mich höher eingestuft. Ich bin jetzt Waffenspezialist der Stufe eins.«
»Ah«, rief Pavel stolz. »Das ist ja noch besser. Wenn es an der Zeit ist, kannst du ja Feiglinge wie mich beschützen.«
»Du? Ein Feigling? Erzähl doch nicht so etwas. Ich erinnere mich noch gut, wie ich sieben war und du diesen Kerl in der Schule verhauen hast, der mich küssen wollte. Du …«
»Waffen!« knurrte Großvater leise, aber so, daß jeder es hören konnte – genau, wie es seine Absicht gewesen war. Als er merkte, daß er ihre Aufmerksamkeit gewonnen hatte, raunzte er weiter: »Frauen haben gar nicht den Mumm für solche Sachen. Was würdest du denn tun, hä?« fragte er Tante Sekan, die gerade mit einer Platte, auf der sich gebratene Lammkoteletts türmten, aus der Küche kam. »Könntest du einem magistratischen Marine genau in die Augen sehen und ihm die Gedärme herausschießen?«
Sekan stellte entsetzt das Fleisch auf den Tisch. »Was ist denn das für ein Gesprächsthema?«
Karyn seufzte. »Wir reden immer noch über Krieg, Mutter. Ja, Großvater, wenn es sein muß, kann ich das. Ich möchte niemanden töten, aber wenn jemand mir oder meiner Familie etwas antun will, würde ich ihn umbringen.«
»Bah!« machte Großvater. »Du verlierst die Nerven, fängst an zu heulen und bist schneller tot, als du dir vorstellen kannst.«
Toca, der bisher schweigend dagesessen hatte, mischte sich ein. »Ich habe mit ihrem Ausbilder gesprochen, Jasper. Er sagt, sie ist die beste ihrer Gruppe. Und Freia hat erzählt, sie könnte einer Taube auf tausend Schritt das Auge ausschießen.«
»Wer könnte das nicht, mit diesen neumodischen Waffen.«
»Ich könnte es nicht«, erwiderte Toca leise.
»Und ich bezweifle, daß du es könntest, du alter Knasterkopf!« rief Tante Sekan. Sie klopfte mit einer Gabel auf den Tisch und kommandierte: »Jetzt wird gegessen. Und heute abend will ich nichts mehr von solchen Dingen hören!«
Großvater warf ihr einen finsteren Blick zu, fing aber an zu lächeln, als ihm der Duft des Lammfleisches in die Nase stieg. »Na schön. Da du es fertigbringen würdest, mich verhungern zu lassen, gebe ich mich geschlagen.« Er streckte die Hände nach der Platte aus, und Sekan reichte sie ihm hinüber.
Pavel wartete, bis er an der Reihe war, und suchte dann ein Stück für sich selbst und eins für Yael aus. Das Mädchen stieß das Fleisch mißtrauisch mit dem Messer an, nahm es dann in die Finger und begann zu essen. Pavel ließ ihr diesen Rückfall in kindliches Verhalten durchgehen. Niemand störte sich daran, und Yael machte es Spaß. Er reichte die Platte an Tante Sekan weiter und nahm sich die Salatschüssel.
»Erinnerst du dich an Moche Oyar, Pavel?« fragte Toca.
»Lorens Sohn? Ja, er hat immer mit Yael gespielt, als sie noch kleiner war. Er müßte jetzt dreizehn oder vierzehn sein, nicht?«
»Vierzehn. Ich habe ihn die Merkabah gelehrt.« Toca schnitt ein Stück Fleisch ab und kaute nachdenklich. »Er ist ein sehr guter Schüler.«
»Tatsächlich? Dann hätte er sicher einen besseren Sohn für dich abgegeben als ich. Ich konnte mir nie all die geheimen Namen Gottes merken, ganz zu schweigen von denen der Engel. Die sieben Himmel waren für meinen einfachen Verstand viel zu kompliziert.«
»Du bist eben lieber auf Bäume geklettert.«
Pavel lachte. »Das muß ich zugeben. Ich wollte mir immer die Blätter ganz genau anschauen. Ich glaube, damals bin ich zum ersten Mal auf den Gedanken gekommen, Pflanzenkunde zu studieren …«
»Zurück zum Thema«, erklärte Jasper, nachdem er seinen Teller vollgehäuft hatte. »Jetzt, wo Baruch in den Händen der Regierung ist, fehlt uns ein Bein, um im Stehen zu pissen.«
Sekan schnappte nach Luft, doch Toca seufzte nur verärgert. »Jasper, bitte! Wir haben Shabbat.«
Großvater zuckte die Achseln. »Meinst du, Gott hätte das Wort pissen noch nie gehört?«
»Großvater?« flüsterte Yael und setzte sich aufrecht hin. »Was bedeutet ›pissen‹? Das Wort gefällt mir.«
Jasper mußte unwillkürlich lächeln. Er streichelte Yael die Wange und sagte: »Denk nicht drüber nach, mein hübsches
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