Die Gamant-Chroniken 02 - Die Rebellen von Tikkun
großgewachsene Frau in einem enganliegenden braunen Overall stand auf der Schwelle. Tahn konnte sich nicht an ihren Namen erinnern, doch er wußte, daß sie dabei gewesen war, als Baruch ihn auf die Brücke gebracht hatte.
»Tut mir leid, Sie zu stören«, sagte die Frau.
»Ich war nicht gerade übermäßig beschäftigt. Kommen Sie herein.«
Die Frau betrat die Kabine und spielte dabei nervös mit einem zerknitterten Blatt Papier. Es machte Tahn schon nervös, ihr nur dabei zuzusehen.
»Ich nehme an, Sie sind aus einem bestimmten Grund hier«, meinte Tahn. »Oder irre ich mich da?«
»Nein. Tut mir leid, daß ich Sie stören muß.«
»Wie war doch gleich Ihr Name?«
»Rachel Eloel. Ich bin für die Sicherheit Ihrer Kabine verantwortlich.«
»Aha, dann sind Sie also meine Gefängniswärterin. Schön, daß wir uns mal begegnen. Und was kann ich für Sie tun?«
Rachel machte einen Schritt vorwärts. »Wer ist Major Lichtner?«
Tahn schüttelte völlig überrascht den Kopf, doch zugleich flammte alter Haß in ihm auf. »Warum wollen Sie das wissen?«
»Der Mann ist wichtig.«
»Nun, wenn er so wichtig ist, sollten Sie lieber Baruch danach fragen.«
Rachel machte abermals einen Schritt und stand jetzt ziemlich dicht vor Tahn. Ihre Augen blitzten. »Sagen Sie es mir.«
Tahn schwieg. In Rachels Augen hatte er unterschwellige Emotionen bemerkt. War sie Baruchs Geliebte und sorgte sich deshalb wegen Lichtner? Er betrachtete forschend ihr Gesicht und ihre ganze Haltung. Nein, das schien nicht der Grund zu sein. Es war etwas anderes. Aber was?
Rachel ballte die Fäuste. »Warum wollen Sie es nicht sagen? Ist es so schrecklich, daß selbst Sie …«
»Nein.« Tahn schüttelte den Kopf. »Nein, es ist nur so, daß der Gedanke an Lichtner mir Magenschmerzen bereitet. Er hatte das Kommando bei der Schlacht im Akiba-System, die vor ein paar Monaten stattgefunden hat. Eine Schlacht, die Baruch gewonnen hat – außer in den Punkten, die wirklich zählten.«
»Was soll das bedeuten?«
»Das weiß ich auch nicht so recht«, erwiderte Tahn. »Im Krieg sollte der Sieg eigentlich alles sein, was zählt, meinen Sie nicht?«
»Nein, das glaube ich nicht.«
»Miss Eloel, weshalb interessieren Sie sich für Lichtner?«
»Er ist der derzeitige Militärgouverneur von Tikkun.«
Tahn sog scharf die Luft ein. Wenn das stimmte, weshalb gab sie ihm dann eine so bedeutsame Information? »Woher wissen Sie das?«
»Ich weiß es eben.« Wieder zerknüllte Rachel das Papier.
Tahn schaute es an und überlegte, ob wichtige Informationen darauf standen und ob der Versuch lohnte, es ihr zu entreißen. »Falls Sie sich Sorgen wegen Lichtner machen – das ist unnötig. Er ist ein Idiot.«
»Tatsächlich?«
»Ja.«
»Aber er ist gefährlich, nicht wahr?«
»Wenn jemand so dumm ist, ihm Macht zu verleihen, wird er sie zweifellos mißbrauchen. Aber er ist nicht besonders einfallsreich, falls Sie das meinen.«
Rachel wanderte in der Kabine auf und ab. Mit leiser Stimme, als spräche sie zu sich selbst, wiederholte sie die Worte: »Er ist nicht einfallsreich …«
»Warum ist das von Bedeutung?«
Mit einer schroffen Handbewegung gab Rachel zu verstehen, daß er still sein sollte, solange sie nachdachte.
»Entschuldigen Sie. Gibt es sonst noch etwas, das ich für Sie tun kann, Miss Eloel?«
»Ja, Captain. Würden Sie … mir bei einem physikalischen Problem helfen?«
Beinahe hätte Tahn gelacht, doch ihre ernste Miene hielt ihn davon ab. »Es ist doch nicht etwa eine Berechnung, wie man die Magistraten am besten in die Luft sprengen kann, oder?«
»Nein.«
»Geht es um das, was Sie da in der Hand halten?«
Rachel betrachtete das zerknüllte Papier und meinte entschuldigend: »Ja. Ich hoffe, man kann es noch entziffern.«
»Dann lassen Sie mich mal sehen.«
Rachel reichte ihm das Papier. Tahn nahm es und strich die Kanten glatt. Als er die Gleichungen erblickte, zogen sich seine Brauen zusammen. »Miss Eloel …«
»Bitte nennen Sie mich Rachel.«
»Warum setzen Sie sich nicht, Rachel. Das hier könnte eine Weile dauern. Sieht ziemlich kompliziert aus.«
Ohne den Blick von Tahn zu wenden, griff Rachel nach hinten und zog sich einen Stuhl heran.
Der Captain mußte unwillkürlich lächeln. War ihr nicht klar, daß er sie trotz der Pistole an ihrer Hüfte jederzeit überwältigen und als Geisel nehmen könnte? Warum gab sie ihm diese Chance? Doch wenn er sie angriff, würde Baruch Deck sieben unter Gas setzen, und Tahn würde
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