Die Gamant-Chroniken 02 - Die Rebellen von Tikkun
Doch niemand rührte sich, niemand sagte ein Wort – sie schienen nicht einmal zu atmen aus Angst, die Marines könnten sie hören und deshalb in Stücke reißen.
Dutzende von Schiffen hingen wie schwarze Käfer im stahlblauen Himmel über ihnen. Bewaffnete Wachen schritten an den Reihen der Eingeschlossenen entlang, die Gewehre drohend erhoben.
Pavel neigte den Kopf und schaute zu Yael hinab. Sie schlief zu seinen Füßen. Ihr junges Gesicht wirkte entspannt und unschuldig. Die warme Luft roch nach Gerste und frisch geerntetem Alfalfa. Pavel seufzte. An schönen Tagen wie diesen hatten Yael und er den Nachmittag üblicherweise damit verbracht, aus dem geöffneten Fenster zu schauen und sich dabei über alles zu unterhalten, was das Kind besonders interessierte: Katzen und Rinder, Farben und Gras.
»Wie geht’s dir?« erkundigte sich Großvater. Er saß mit hochgezogenen Knien neben Yael. Die Linien in seinem Gesicht wirkten verhärtet und haßerfüllt.
»Müde, aber sonst geht es. Wo ist Tante Sekan hingegangen?«
»Patlica Urbeikeit hat sie gebeten, herüberzukommen. Offenbar braucht sie Trost.«
Pavel nickte traurig. Sie litten alle darunter, daß Toca nicht mehr bei ihnen war.
»Und wie fühlst du dich, Großvater? Möchtest du etwas Wasser haben? An dem Rucksack hinter dir ist eine Feldflasche festgebunden.«
Jasper beugte sich hinüber, löste die Flasche und reichte sie Pavel.
Pavel setzte sich neben Yael. Seine Wirbelsäule schmerzte im Sitzen schlimmer als im Stehen oder Liegen. Er öffnete die Flasche, nahm einen tiefen Zug und gab sie Großvater zurück.
Auch Jasper trank einen Schluck. »Was mich betrifft, so geht es mir einigermaßen. Aber Wunder darf man natürlich nicht erwarten.«
»Was meinst du, was sie mit uns vorhaben?«
»Uns quälen, bevor sie uns umbringen. Du hast doch die Gerüchte über die Lager gehört, die sie auf Jumes eingerichtet haben, bevor sie den Planeten abfackelten. Ich vermute, hier werden sie es genauso halten.«
Seine Stimme klang ruhig; dennoch lief Pavel ein kalter Schauer über den Rücken. »Was haben wir denn getan, um so eine Strafe zu verdienen, Jasper?«
»Wir sind Gamanten, das reicht schon.«
»Aber wir sind doch alle Menschen! Ich begreife nicht, wie Menschen einander so etwas antun können.«
»Menschen haben sich immer gegenseitig verfolgt und gejagt. Offenbar gefällt ihnen das. Denk nur an Pleros von Antares. Die Geschichte ist voller Beispiele, wie man sich mit brutaler Gewalt der Opposition entledigt hat, indem man die Patrioten aufstachelte.«
Ein Tosen wurde laut. Es klang wie Brandung, die gegen Felsen schlägt. Pavel schaute hoch und sah, wie sich die schwarzen Schiffe in Bewegung setzten und hier und dort landeten. Die Menschen erhoben sich alarmiert.
»Jacoby!« brüllte der bösartige Sergeant. »Hierher! Du gehst mit dieser Gruppe.«
Pavel weckte Yael sanft auf. Er nahm sie auf den Arm, stand auf und bot dann Jasper seine Hand als Stütze an. Der alte Mann lehnte die Hilfe ab, rappelte sich ächzend auf und wischte sich die Hände an der Hose ab.
»Gehen wir jetzt, Daddy?« fragte Yael und legte Pavel die Arme um den Hals.
»Ich glaube schon, Kleines.«
»Wo gehen wir denn hin?«
»Das wissen wir noch nicht. Aber hab keine Angst, es wird schon alles wieder gut.«
Tante Sekan kam angelaufen, als sie dem Sergeant folgten. Auf ihrem grünen Kleid konnte man Schweißflecken unter den Armen sehen.
»Jasper?« fragte sie völlig aufgelöst und mit weit aufgerissenen Augen. »Was geschieht jetzt?«
Jasper klopfte ihr beruhigend auf die Schulter. »Wir gehen mit dieser Gruppe. Mehr wissen wir im Moment auch noch nicht.«
Sekan zerknüllte nervös ihr Taschentuch, als sie an der Menschenmenge entlanggeführt und zusammen mit etwa fünfzehn anderen auf ein Schiff zugetrieben wurden, das am Ende der Straße gelandet war. Soldaten mit Knüppeln standen davor, schlugen auf die Menschen ein und brüllten: »Beeilt euch gefälligst, ihr dreckiges Gamantenpack! Wir können nicht den ganzen Tag warten, bis ihr eure lahmen Ärsche in Bewegung setzt.«
Yael schloß die Augen und vergrub ihr Gesicht an Pavels Hals, als sie sich den Schiffstüren näherten. »Daddy?«
»Ist schon gut«, flüsterte Pavel beruhigend. »Gleich ist es vorbei.«
»Macht, daß ihr reinkommt! Aber plötzlich!«
Einer der Soldaten traf Jasper mit seinem Stock an der Schulter. Jasper hob die Arme, um sein Gesicht zu schützen, und rannte so schnell wie möglich die
Weitere Kostenlose Bücher