Die Gamant-Chroniken 02 - Die Rebellen von Tikkun
wie gefährlich es wäre, und sie hat geantwortet, er wäre zu wichtig, um das Risiko selbst einzugehen.«
»Hätte Syene auch über Sie gesprochen? Sie hegte doch einen Verdacht gegen Sie, oder?«
»Ja, das kann sein. Syene und ich sind nie besonders gut miteinander ausgekommen. Sie mischte sich selbst in den kleinsten Streit, den ich mit Jeremiel hatte …«
Halloway ließ ihn los und stand auf. Ihr Gesicht drückte Haß und Verachtung aus. Abrupt drehte sie sich um und ging davon. Tahn folgte ihr.
Neil rollte sich auf den Bauch und versuchte, wieder zu Atem zu kommen.
16. Tishri
Die blauschwarzen Schatten des Sonnenuntergangs krochen über die felsige Hügelkette, die den Block 10 umgab. Ein paar vereinzelte Wolken färbten sich in den letzten Sonnenstrahlen rötlich.
Pavel schaute zu ihnen hoch, während er zusammen mit den anderen Männer und Jungen in das große, transparente Amphitheater getrieben wurde. Die durchsichtigen Wände des vierhundert Schritte durchmessenden Halbrundes gaben den Blick auf die umliegende Wüste frei. Pavel umklammerte Yaels Hand und zog sie mit sich, während er sich einen Platz in den hinteren Reihen suchte. Großvater nahm auf Yaels anderer Seite Platz und legte schützend einen Arm um das Mädchen.
Sie befanden sich jetzt seit zwei Tagen im Lager. Wachen hatten ihnen weiße, sackartige Kleidung zugeworfen und ihnen erklärt, wo sie essen und schlafen sollten. Von allen männlichen Gamanten, die die Pubertät bereits hinter sich hatten, waren Blut-, Urin- und Spermaproben entnommen worden, doch ansonsten war kaum etwas passiert, und so verloren die Menschen langsam ihre Ängste. Immer wieder machten Gerüchte die Runde, daß sie bald wieder heimkehren könnten, daß die Magistraten sie nur hergeschafft hätten, um sie einzuschüchtern und folgsamer zu machen.
Als alle Gefangenen einen Platz gefunden hatten, strömten die bewaffneten Wächter herein und stellten sich längs der Wände auf. Unter den Wachtposten gab es zwei Typen: Die einen vermieden es, den Gamanten in die Augen zu sehen, während die anderen sie dreist anstarrten, als warteten sie voller Vorfreude auf das, was noch kommen würde.
Unten auf der Bühne saß eine Reihe magistratischer Offiziere. Ihren Uniformen nach handelte es sich durchweg um hochrangige Militärs. An einem Ende der Reihe hatte Major Lichtner Platz genommen. Sein Gesicht zeigte einen leicht amüsierten Ausdruck.
Jasper beugte sich zur Seite. »Warum haben sich hier so viele hohe Tiere versammelt?«
»Keine Ahnung«, erwiderte Pavel.
»Und was sind das für Abzeichen an ihren Kragen?«
»Kann ich von hier aus nicht genau erkennen. Vielleicht gehören sie zu einer wissenschaftlichen Abteilung. Ich glaube, ich habe ähnliche Abzeichen schon mal in den botanischen Laboratorien gesehen.«
Ein paar Minuten später marschierte ein kleiner, weißhaariger Mann mit abstehenden Ohren zum Podium auf der Mitte der Bühne. Seine hohe und etwas schrille Stimme war überall gut zu hören.
»Guten Abend. Würden Sie bitte die Unterhaltungen einstellen? Ja, so ist es besser. Vielen Dank. Ich bin Colonel Jonathan Creighton, Leiter der neurobiologischen Abteilung von Palaia Station.«
Dann stellte er die anderen acht Ärzte auf dem Podium der Reihe nach vor. Pavel erschauerte.
»… Dr. Hyde, würden Sie bitte unser Programm erläutern?«
Pavel sah, wie sich ein großer, dünner Mann zum Pult begab. »Vielen Dank, Dr. Creighton.« Er lächelte kurz. »Mit einfachen Worten ausgedrückt untersuchen wir, warum Gamanten so leicht erregbar sind – weshalb sie streitsüchtig sind und ihre Differenzen so oft gewaltsam austragen. Wir haben bereits herausgefunden, daß Menschen Ihrer Rasse eine in wesentlichen Punkten vom allgemeinen Standard abweichende Zusammensetzung der Cerebralflüssigkeiten aufweisen. Es geht dabei um Noradrenalin, Serotonin, Dopamin, Norepinephrin …«
»Wovon, zum Teufel, redet er da?« knurrte Großvater.
»Über Gehirnchemikalien. Pst, laß mich zuhören.«
»Chemikalien für was?«
»Neurotransmitter.«
»Und was in Gottes Namen ist …«
»Pst!« machte Pavel ungeduldig.
»… Kurz gesagt vermuten wir, daß die Gamanten im Verlauf der Evolution eine andere Form der Hirntätigkeit entwickelt haben als Nichtgamanten. Unsere Aufgabe hier besteht darin, herauszufinden, ob es sich so verhält, und falls ja, nach Möglichkeiten zu suchen, Ihr biochemisches Profil dahingehend zu verändern, daß aggressive Tendenzen
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