Die Gamant-Chroniken 02 - Die Rebellen von Tikkun
linderte. Dann tauchte Ornias’ gebräuntes Gesicht vor ihr auf, und ihr Körper versteifte sich. Ein grausames Lächeln teilte die Lippen des Mannes …
Dann aber durchdrang eine Stimme, die sanft wie Eiderdaunen klang, den Schrecken. »Du bist in Sicherheit, Rachel. Schlaf. Schlaf einfach nur. Wir unterhalten uns später.«
Rachel versuchte aufzuwachen. Sie zerrte an dem schweißdurchtränkten Laken und versuchte, dem Frieden und der Wärme zu entkommen. Ihre Arme und Beine wurden gefühllos, und ihre Panik nahm zu.
»Laß mich in Ruhe.«
»Das geht nicht. Ich muß dir etwas Wichtiges mitteilen. Aber das muß nicht jetzt sein. Ich kann warten, bis du …«
»Ich will nichts von dem hören, was du zu sagen hast.«
»Nicht einmal, wenn es darum geht, eine Viertelmillion Gamanten zu retten?«
Rachel empfand ihre Unentschlossenheit wie ein Messer, das sich in ihren Magen bohrte. Sie wollte die sie sanft umschmeichelnde Wärme weiter spüren und verabscheute sie zugleich.
»Was willst du?« fragte sie.
»Auf Tikkun gibt es Probleme. In ein paar Tagen werden die Magistraten fünf Kreuzer aussenden, um die Unterdrückungsmaßnahmen zu intensivieren. Jeremiel muß davon erfahren, damit er geeignete Maßnahmen planen kann. Und erwähne ihm gegenüber den Langstreckenfunk. Er muß …«
»Was ist das?«
»Sag es ihm einfach. Er wird es schon verstehen.«
»Welchen Sinn soll das haben? Er hat schon genug Probleme mit den Flüchtlingen von Horeb. Für Tikkun kann er nichts tun.«
»Gib ihm wenigstens die Möglichkeit dazu.«
Der warme Nebel umhüllte Rachel weiterhin wie ein Kokon, der sie vor Zeit und Raum schützte. Sie fühlte sich sicher und außer Reichweite jeglicher Bedrohung.
»Glaube das nie, Rachel«, sagte die sanfte Stimme. »Wir sind immer in Epagaels Hand. Solange, wie dieses Universum existiert.«
Rachel zuckte zusammen und wachte beinahe auf. »Ich bin noch nicht bereit, dir meine Antwort zu geben.«
»Ich weiß. Ich habe doch auch nicht gedrängt, oder?«
»Nein, aber …«
»Dann mach dir deswegen auch keine Sorgen. Bald, wenn du etwas aufnahmefähiger bist, werde ich dich von hier fort und an einen Ort bringen, an dem wir ungestört reden können. Dort werde ich alle Fragen beantworten, die du mir stellen willst. Doch jetzt würde ich dich gerne ein paar Dinge lehren. Sie werden deine Ruhe nicht stören, und die Gleichungen würdest du so oder so nicht verstehen.«
»Gleichungen? Was für Gleichungen?«
»Die der Erlösung. Man nennt sie die Schätze des Lichtes. Ganz gleich, wie deine Antwort ausfällt, eines Tages wirst du sie brauchen.«
Rachel zögerte. Sie war sich nicht sicher, ob sie das alles wirklich wissen wollte. Andererseits saß ihr nach dem Anschlag auf dem Korridor noch immer die Angst im Nacken. »Und was ist das?«
Er schwieg für geraume Zeit. Rachel trieb weiter durch das zeitlose Nichts. Der goldene Schleier schien jede einzelne Pore ihres Körpers zu durchdringen und sie so vollständig zu erfüllen, daß es ihr fast so schien, als könne sie das Gefängnis ihres eigenen Fleisches verlassen und ungebunden wie der Wind umherschweifen.
»Schlaf, Rachel. Laß dich tief hinabsinken, tiefer als je zuvor. Finde den einen Platz in dir, der immer aufmerksam ist. Ja, so ist es gut. Und nun lausche. Höre genau zu, Rachel-Sophia, denn dies ist, was du getan hast und noch tun wirst, was du bist und doch noch nicht bist. Ich möchte, daß du meine Worte wiederholst …«
Seine Stimme erklang in einem bestimmten Rhythmus, und Rachel hörte die Worte, doch sie verstand sie nicht. Dennoch ließ sie sich von der Melodie der Sätze davontragen. »Ich bin der Reichtum des Lichts. Ich wanderte durch die Tiefen der Dunkelheit, bis ich die Mitte des Kerkers erreichte, das Fundament des Chaos, wo ich neben Jachin stand, dem weißen Pfeiler des Lichts. Zu meiner Linken stand Boaz, der düstere Pfeiler der Dunkelheit. Auf jedem von ihnen ruhte eine himmlische Kugel aus göttlicher Energie. Ich nahm einen der Saphire, einen heiligen Stein, geschaffen aus dem himmlischen Tau des Schatzes des Lichts, und schleuderte ihn in den Abgrund …«
Sybil erwachte mit einem Gefühl der Angst. Sie rollte sich zu einer Kugel zusammen und zog die Decken schützend über den Kopf, während sie den sonderbaren Worten lauschte, die ihre Mutter sprach. Was bedeuteten sie? Sybil selbst hatte einen merkwürdigen Traum gehabt, bevor die Stimme ihrer Mutter sie aufschreckte. Noch immer trieben einzelne
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