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Die Gamant-Chroniken 02 - Die Rebellen von Tikkun

Die Gamant-Chroniken 02 - Die Rebellen von Tikkun

Titel: Die Gamant-Chroniken 02 - Die Rebellen von Tikkun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen M. O'Neal
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glattrasiert war. Den Bart abzunehmen, war ein impulsiver Gedanke gewesen. Er hatte auf diese Weise seine äußere Erscheinung verändern wollen, um nicht mehr an den Mann erinnert zu werden, der praktisch sein ganzes Leben an Jeremiels Seite verbracht hatte.
    »Das ist doch reines Wunschdenken!« erklärte der Mann mit der Brille. »Ich habe niemanden gesehen.«
    »Aber wenn ich dir doch sage …«
    »Komm schon, Harmon, wir verschwenden nur unsere Zeit. Ich gehe jetzt zurück zu dem zentralen Luftschacht, wo wir die magistratischen Soldaten ausgeräuchert haben. Fünf zu eins, daß Dannon sich eher dort verborgen hält.«
    Das Scharren von Stiefeln erklang. Neil wartete. Fünf Minuten. Zehn. Schließlich spähte er vorsichtig hinter den aufgestapelten Kisten hervor. Harmon stand noch immer im Halbdunkel. Seine Hand umklammerte eine Pistole, und sein Rücken war Neil zugekehrt.
    Mit der Gewandtheit eines professionellen Meuchelmörders schlich Dannon an den Kisten entlang, um so nah wie möglich an den Mann heranzukommen, ohne dabei seine Deckung aufgeben zu müssen. Harmon brummte irgendeinen Fluch und setzte sich in Richtung Ausgang in Bewegung – Neil sprang hinter den Kisten hervor und riß den Mann zu Boden. Seine Faust traf Harmons Kehle, bevor der Mann nach Hilfe rufen konnte, und dann brach Dannon ihm ruhig und wohlüberlegt das Genick.
    Mit einem raschen Rundblick vergewisserte er sich, daß niemand ihn beobachtet hatte; dann zog er Harmon die Kleidung aus und entledigte sich auch seiner eigenen purpurnen Uniform. Nachdem er Harmons fadenscheinige Robe über den Kopf gestreift hatte, nahm er dessen Gewehr, warf es sich über die Schulter und zog dann die Leiche zu einem Luftschacht hinüber. Er grunzte, als er den stämmigen Körper in den engen Schacht zwängte. Dann eilte er zurück, hob seine rote Uniform auf und stopfte sie zu der Leiche.
    Sobald er das Gitter wieder vor dem Luftschacht angebracht hatte, durchwühlte Neil die Taschen seiner neuen Robe. Er fand etwas Bargeld und ein kleines rundes Abzeichen. Neil hielt es ins Licht, um die Aufschrift zu lesen.
    »Eine allgemeine Sicherheitsfreigabe?« Er seufzte erleichtert. »Das wird ja einfacher, als ich dachte.«
    Dannon befestigte das Abzeichen an seiner Kleidung, nahm das Gewehr von der Schulter, ging zur Tür hinüber und öffnete sie vorsichtig einen Spalt.
    Der Gestank, der ihm entgegenschlug, war überwältigend. Es roch nach entzündeten Wunden und uringetränkter Kleidung. Überall weinten Kinder und stöhnten Verletzte.
    Dannon machte einen Schritt vorwärts und schloß die Tür hinter sich. Der Korridor war von Menschen überfüllt, die zumeist bleich und hohläugig entlang der Wände hockten. Eine Mutter mit blutverschmiertem Gesicht drückte ihr totes Baby an die Brust, schaukelte es leicht und sang dabei ein Schlaflied.
    Neils Schultern strafften sich. Waren das die Folgen von Tahns Feuersturm? Allmächtiger Gott … wie viele Opfer hatte der Angriff gefordert? Er schätzte die Zahl der Verletzten ab. Mindestens hundert befanden sich allein auf diesem kurzen Flur. Wie viele mochten es insgesamt sein? Tausend? Fünftausend?
    Ich habe dich gewarnt, Jeremiel. Ich habe dich gewarnt!
    Dannon schob sich vorsichtig durch die Menge und wich den Toten aus, die seinen Weg säumten. Wut und Verzweiflung drohten ihn zu überwältigen. Würde die Vergeltung der Magistraten niemals enden?

 
KAPITEL
17
     
     
    Rachel starrte düster in den Spiegel über ihrem Tisch. Ihr herzförmiges Gesicht wirkte eingefallen und die hohen Wangenknochen standen vor und ließen die dunklen Augen riesig erscheinen. Das bis zu den Hüften herabfallende Haar glänzte wie Mitternachtsseide und hob sich schwarz von dem jadefarbenen Gewand ab. Sie hatte die Robe aus dem Kleiderspender in ihrer Kabine und wunderte sich noch immer darüber, daß ein Schlachtkreuzer über Automaten verfügte, die derart weibliche Kleidung herstellen konnten.
    Rachel strich das Haar zurück und betrachtete das Brandzeichen auf ihrer Stirn: AKT. Adoms Initialen. Die winzigen Buchstaben waren ihr von den Wüstenvätern auf Horeb dicht unter dem Haaransatz eingebrannt worden, die geglaubt hatten, sie würde möglicherweise ein besonderes Zeichen benötigen, um Adom von ihrer Anhängerschaft zu überzeugen. Doch der hatte die Buchstaben nie bemerkt, und falls doch, hatte er jedenfalls kein Wort darüber verloren. Tatsächlich hatte sie noch nie jemand gesehen, von Jeremiel und jenem ältlichen,

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