Die Gamant-Chroniken 02 - Die Rebellen von Tikkun
letzten Reste von seinem Teller kratzte.
Er schaute auf und bemerkte, daß sie ihre Mahlzeit bereits beendet hatte. »Sie sind ein schneller Esser.«
»Ich bin nur nicht so gründlich wie Sie. Sie greifen zu, als könnte das Ihre letzte Mahlzeit sein.«
»Offensichtlich sind Sie auch ein scharfer Beobachter.« Er schob die letzten Reiskörner in den Mund, erhob sich, zog seinen Stuhl zu ihr hinüber und setzte sich wieder.
Rachel betrachtete ihn forschend und bemerkte die Müdigkeit und Erschöpfung um seine Augen und die tief eingegrabenen Linien um seinen Mund. Auf dem Kragen seines Hemdes zeigten sich Schweißspuren. Hatte er eben noch an einer Strategiesitzung teilgenommen? Und war das der Grund, weshalb er zu spät gekommen war und auch nicht lange bleiben konnte?
»Tut mir leid, das zu sagen, aber Sie wirken ein wenig mitgenommen«, meinte sie. »Ich weiß schon einiges von dem, was vor sich geht. Warum erzählen Sie mir nicht einfach den Rest?«
Jeremiel schlug die Beine übereinander und trank einen großen Schluck Wein.
»Ich stecke in Schwierigkeiten.«
»Sie stecken nie in Schwierigkeiten.«
»Ich wußte, daß Sie das sagen würden. Genau wegen dieser moralischen Unterstützung wollte ich unbedingt herkommen.«
Rachel legte den Kopf schief. »Ja, das kann ich mir vorstellen. Was ist denn los?«
Jeremiels Gesicht wurde schlagartig ernst. »Nun, zunächst mal haben wir einen Schlachtkreuzer der Klasse C-J gestohlen, und sobald die Magistraten davon erfahren, werden sie wohl ein wenig ungehalten reagieren.«
»Dann müssen wir also von hier verschwinden, richtig?«
»Genau. Sobald wir alle Flüchtlinge aufgesammelt haben, was nur noch einen oder zwei Tage dauern dürfte.«
»Warum müssen wir denn alle an Bord holen? Können denn nicht einige dort bleiben, wo sie sind?«
»Das würde alles erheblich vereinfachen, aber es geht leider nicht. Ein Hauptangriffs-Manöver löst eine Reihe von Kettenreaktionen aus, selbst dann, wenn die Attacke nur so kurz dauert wie auf Horeb. Der Feuersturm rast über die Oberfläche und vernichtet praktisch jegliche Vegetation. Die dabei entstehenden Wolken führen zu außerordentlich heftigen Regenfällen, die den Erdboden fortschwemmen und die meisten Lebewesen ertränken. Es gibt aber einen noch wichtigeren Grund, warum wir niemanden zurücklassen dürfen. Die Magistraten werden über kurz oder lang hier auftauchen, um ihr Zerstörungswerk zu vollenden. Schließlich habe ich ihre kleine Machtdemonstration zunichte gemacht, und das werden sie bestimmt nicht einfach hinnehmen.«
»Dann können wir also nur hoffen, daß die Magistraten nicht auftauchen, bevor wir die Menschen gerettet und uns in Sicherheit gebracht haben. Gibt es irgendwelche Hinweise, die die Vermutung nahelegen, sie könnten schon auf dem Weg hierher sein?«
Jeremiel holte tief Luft. »Nein, aber es zahlt sich nie aus, den Teufel zu unterschätzen. Bisher hatte ich noch keine Zeit, die Sache genauer zu überprüfen, aber es kommt mir so vor, als hätten die Magistraten irgendwie das Lysomianische System und insbesondere Tikkun von allen Nachrichtenverbindungen abgeschnitten. Und das bereitet mir große Sorgen.«
Rachels Kehle zog sich plötzlich zusammen, und das Blut rauschte in ihren Ohren. Aktariels Worte drängten flüsternd aus der Erinnerung empor. Ihre Hand zitterte, und sie verschüttete etwas Wein, den sie rasch mit der Serviette aufwischte.
Jeremiel beobachtete sie aufmerksam. »Wollen Sie mir etwas dazu sagen?«
»Ich würde lieber erst die aktuellen Probleme durchsprechen. Können Sie mir mehr über das Flüchtlingsproblem erzählen? Ich wollte zum Lazarett und …«
»Nein!« rief Jeremiel. »Bitte, Rachel, versuchen Sie so etwas nicht. Rufen Sie Janowitz oder mich, wenn Sie fortgehen wollen. Wir besorgen Ihnen dann eine Eskorte.«
»Ich bin bewaffnet und kann selbst auf mich aufpassen.«
»In einem fairen Kampf vielleicht. Aber diese Kerle halten nicht viel von ehrbaren Regeln.«
»Ich dachte, Sie hätten alle erwischt?«
»Das hoffen wir, aber ganz sicher können wir natürlich nicht sein, und deshalb möchte ich nicht, daß Sie irgendwelche unnötigen Risiken eingehen.«
Rachel schaute beiseite. Verzweiflung und ein Gefühl der Hoffnungslosigkeit nagten in ihr. Adoms Tod schien mit jedem Atemzug schwerer auf ihr zu lasten. »Dann habe ich also noch mehr Feinde als nur Kaufa?«
Jeremiel preßte kurz die Lippen zusammen. »In meinen Augen sind Sie ein Held, Rachel. Doch
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