Die Gamnma Option
etwas erreichen zu können. Aber in dieser Gegend herrscht schon seit zweitausend Jahren Gewalt, und wohin hat uns das geführt?
Ja, ich bin als Terroristin ausgebildet worden, doch ich habe geschworen, diese Fähigkeiten nur einzusetzen, um mein Leben zu schützen, denn sonst würde ich mich auf die Ebene begeben, die ich am meisten hasse.«
»Doch aus irgendeinem Grund haben Sie es sich anders überlegt. Sie haben sich entschlossen, Ihre terroristische Ausbildung einzusetzen, um an Hassani heranzukommen.«
Sie musterte ihn genau. »Ich hatte keine andere Wahl. Die Art meines Vorgehens wurde mir von außen diktiert. Wir haben uns vor einem Monat an Sie gewandt. Als Sie sich weigerten, mit uns Kontakt aufzunehmen, wandte ich mich an Fett, der über einen Informanten in Dejourners Organisation von der Existenz Ihres Sohnes erfuhr.«
»Na schön. Also lassen Sie mich an die Arbeit gehen, damit ich den Jungen zurückbekomme. Wo soll ich mit meiner Suche nach Rasin anfangen?«
Evira lehnte sich zurück, und das Sonnenlicht fiel auf ihr dunkles, scharfgeschnittenes Gesicht. Sie kam ihm plötzlich sehr jung vor, fast sogar unschuldig; ihr langes Haar fiel um ein Gesicht, das in diesem Augenblick einem Schulmädchen hätte gehören können.
»Es gibt einen Mann namens Moshe Traymir«, sagte sie, »ein Soldat, der an den Massakern in den Flüchtlingslagern im Libanon mitgewirkt hat. Er wurde vors Kriegsgericht gestellt und unehrenhaft entlassen, doch Rasin heuerte ihn als Leibwächter an. Meine Leute haben beobachtet, wie sie das Land mehrere Male gemeinsam verließen. Wenn jemand weiß, wo sich Rasin verborgen hält, dann Traymir.«
»Wo kann ich ihn finden?«
»Er hat mittlerweile eine Arbeit angenommen, die genau zu ihm paßt. Er ist Tierwächter im Safari-Park in Ramat Gan.«
Colonel Yuri Ben-Neser ging auf dem Weg zum Atarim-Platz langsam die Tayelet entlang. Seine linke Schulter war dick bandagiert, und sein Phantomschmerz war mit dieser neuen Verletzung nur noch stärker geworden. Es war keine zehn Stunden her, daß sein Versuch, Evira zu fassen, in einer Katastrophe geendet hatte. Ben-Neser hatte sich verhalten, wie es der Soldat in ihm befahl. Nachdem er aus dem Krankenhaus entlassen worden war, hatte er über die richtigen Kanäle alles gemeldet und alles gestanden. Nun erwartete ihn der Verlust seines Rangs, vielleicht sogar eine Haftstrafe. Doch diese Aussicht belastete den Colonel nicht so sehr wie das Schicksal seines Teams. Sechs Mann waren auf dem Flohmarkt gestorben, und der siebente würde die Nacht wohl nicht überleben.
Am Atarim-Platz liegen zahlreiche Cafés, Imbißstuben und Restaurants; jedes davon wies eine ganz eigene Atmosphäre auf und bot Speisen der unterschiedlichsten Qualität an. Normalerweise erreichte man den Platz, der zwischen den Hotels Carlton und Mariah direkt über dem Ufer des Mittelmeers lag, über die HaYarkon Street. Ben-Neser jedoch hatte die langgezogene Asphaltpromenade der Tayelet gewählt; das Rauschen der Brandung unter ihm beruhigte ihn. Verglichen mit der Macht und Größe des Meeres war er ein Nichts, und das galt auch für das, was heute in Jaffa geschehen war.
Der Mossad war natürlich ganz anderer Meinung. Der Gründer des Mossad hatte den Namen Isser getragen, den daraufhin auch alle seine Nachfolger angenommen hatten. Im Gegensatz zu ihren Kollegen anderer Geheimdienste nahm die Führungsspitze des Mossad Anteil an den Geschicken ihrer Organisation und Agenten. Der Mossad wurde nicht von Politikern oder Bürokraten geführt, sondern in erster Linie von Männern, die Erfahrungen im Außeneinsatz hatten und ihre Aufgabe stets unter diesem Blickwinkel sahen. Ben-Neser hoffte, daß diese Einstellung für ihn sprechen würde. Das war seine einzige Hoffnung.
Isser wartete an der vereinbarten Stelle auf ihn, an einem Tisch unter dem blauen Baldachin des größten Cafés am Atarim Square. Der Tisch lag nicht etwa geschützt in einer Ecke, doch alle anderen um ihn herum waren leer. Isser nippte an einem Getränk, bei dem es sich entweder um Sodawasser oder einen Longdrink handelte. Ben-Neser spürte, wie sein Herz unwillkürlich schneller schlug, als er zu ihm trat.
Isser war ein kleiner Mann mit breitem Brustkorb und drohend blickenden blauen Augen. Sein Haar war an den Seiten ungewöhnlich dicht, auf dem Schädel jedoch beträchtlich dünner. Seine kräftigen Unterarme lagen auf dem Tisch; unter einem ruhte ein Schnellhefter. Er nahm von Ben-Neser erst Notiz,
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