Die Gamnma Option
äußerst dummer Zug. Sie hätten dabei drauf gehen können. Was wäre dann aus Ihrem Sohn geworden?«
»Ehrlich gesagt habe ich gar nicht darüber nachgedacht. Jemand sollte vor meinen Augen abgeschlachtet werden. Nur das spielte in diesem Augenblick eine Rolle.«
»Ich habe gehört, daß Sie so denken«, murmelte sie nachdenklich. »Aber es mit eigenen Augen zu sehen, Sie in Aktion zu sehen …«
»Sie brauchen mir keinen Honig um den Bart zu schmieren. So bin ich nun mal, und so handle ich. Verdammt, Sie haben mich doch gezwungen, mit Ihnen zusammenzuarbeiten. Sie kennen meine Philosophie. Das Leben eines einzigen Menschen ist für mich genauso wichtig wie das einer Million.«
»Das weiß ich. Aber der Grund ist mir nicht ganz einsichtig.«
Blaine wollte lächeln, hielt dann jedoch inne. »Matt hat mir gestern ziemlich ähnliche Fragen gestellt. Ich habe ihm nicht die ganze Wahrheit darüber gesagt, was sein Daddy im Krieg so alles getan hat. Ich habe ihm die übliche Geschichte über das Projekt Phoenix erzählt und dabei geflissentlich die Tatsache ausgelassen, daß viele der Menschen, die wir getötet haben, den Tod nicht verdient hatten. Es waren einfach unschuldige Opfer, die zufällig am falschen Ort waren, als unsere Bomben hochgingen oder unsere Heckenschützen zuschlugen. Was interessierte uns das? Unsere Philosophie bestand darin, auf jeden Fall zu gewinnen, und wenn alle auf diese Art gekämpft hätten, hätten wir vielleicht den Sieg davongetragen. Ich war dabei, aber nicht allzu lange, und als ich Vietnam verließ, schwor ich mir, nie wieder ein unschuldiges Leben zu nehmen.« Blaines Blick wurde kalt. »Deshalb arbeite ich zwar mit Ihnen zusammen, aber meinen Respekt werden Sie nie bekommen. Sie haben eine Grundregel gebrochen, indem Sie den Jungen entführten … die einzige Regel.«
Sie lehnte sich abrupt auf ihrem Stuhl vor. »Möchten Sie gern mal meine Sicht der Dinge hören, Mr. Blaine McCracken? Vor dem Krieg 1973 wohnte ich in einem der schönsten Häuser auf der West Bank. Mein Vater war Geschäftsmann und ein örtlicher Politiker. Wir hatten nichts gegen die Israelis. Wir lebten friedlich und ohne jeden Zwischenfall zusammen. Selbst als der Krieg kam, ergriffen wir keine Partei. Meine Brüder brachten den israelischen Soldaten in unserer Nähe Wasser und Früchte.
Doch als die Israelis den Sieg errungen hatten, kamen weitere Soldaten – oder vielleicht dieselben, denen meine Brüder Lebensmittel gebracht hatten – mit dem Befehl der Regierung zu uns, unseren Besitz zu annektieren. Wir wurden auf die Straße gesetzt und mußten in einem Zelt leben. Unser Land war jetzt ein besetztes Gebiet. Von dem Zelt aus konnten wir das große Haus sehen, in dem wir versucht hatten, in Harmonie mit unseren Nachbarn zu leben.«
»Also hassen Sie die Israelis für das, was sie getan haben. Führen Sie deshalb Ihren Kreuzzug?«
»Zuerst schon, glaube ich. Ich verließ mit achtzehn Jahren meine Familie und ging in den Libanon, in eins der Ausbildungslager für Terroristen. Mich erfüllte weniger Haß als das verzweifelte Bedürfnis, etwas zu unternehmen … was, wußte ich selbst nicht genau. Wahrscheinlich wollte ich anfangs auf Gewalt zurückgreifen, doch das änderte sich. Verstehen Sie, mein Vater war noch immer Politiker, Diplomat. Er hatte noch immer Kontakt mit den Israelis und versuchte in diesen frühen Jahren, mit Verhandlungen das Schicksal seiner vertriebenen Landsleute zu verbessern. Es bildeten sich unterschiedliche Gruppierungen. Die Militanten sahen in ihm einen Kollaborateur. Er wurde fast zu Tode geprügelt und mußte fliehen. Und wissen Sie, was das Schlimmste daran war? Schließlich lieferten ihn meine eigenen Brüder aus …«
McCracken runzelte die Stirn.
»Sie gehen davon aus, daß ich die Israelis hasse, Blaine McCracken. Vielleicht stimmt das auch. Doch ich hasse die Palästinenser aus genau denselben Gründen. All die Jahre des Blutvergießens in den besetzten Gebieten haben nur meinen Haß auf das gesamte System verstärkt, und darauf, wie gewisse Gruppen darauf reagieren. Gewehre sind nicht die Antwort; soviel hat sich bereits gezeigt. Der Frieden läßt sich nur von innen heraus erreichen; die israelischen Araber müssen sich organisieren und eine selbstbewußte, starke Stimme erheben, aber so, daß die jüdischen Bürger uns verstehen und akzeptieren können und nicht mehr ablehnen. Die Radikalen werfen mir vor, daß meine Methode zu lange braucht, um irgend
Weitere Kostenlose Bücher