Die Gamnma Option
mich sahst, hättest du schon wissen müssen, daß ich es bin. Du mußt wirklich sehr erschöpft sein.«
Hiroshi erhob sich, und McCracken tat es ihm gleich. Die beiden Männer trafen sich auf der Mitte der Matte und wechselten einen warmen Händedruck. Der Sensei musterte seinen ehemaligen Schüler mit einem wissenden Grinsen.
»Du bist noch immer Fudo-San, so starrköpfig und unwillig, dich zu ändern, wie eh und je. Und du bist in den Jahren seit unserem Abschied stärker geworden. Ich kann diese Stärke spüren.«
»Ich bin jetzt vierzig Jahre alt, Sensei. Was du fühlst, sind meine verkalkenden Knochen.«
Hiroshi lachte erneut. »Rolle vor einer alten, schlafenden Katze ein Stück Garn aus und siehe, wie schnell sie sich an das erinnert, was sie einmal gelernt hat.«
»Weißt du, warum ich hier bin?« fragte McCracken ihn.
»Ich habe einen gewissen Verdacht. Sprechen wir bei dem Sake darüber, den ich dir versprochen habe. Komm.«
Sie schritten Seite an Seite durch eine weitere Shoji- Tür . McCracken erinnerte sich, daß das ursprüngliche Dojo, in dem Hiroshi ihn ausgebildet hatte, diesem hier ganz ähnlich gesehen hatte. Es war schlicht und einfach gewesen, wie es bei einer Übungshalle der Fall sein sollte. Schon damals war Hiroshis Schule für die Öffentlichkeit geschlossen gewesen, und nur aufgrund des Drucks von Beamten der japanischen Regierung war der Sensei bereit gewesen, Blaine anzuhören. Zu seiner großen Überraschung wußte Hiroshi über Blaines Unternehmungen in Vietnam bald mehr als er selbst.
»Es gibt in der japanischen Mythologie einen großen Kriegsgott«, hatte der Meister an diesem Tag zu ihm gesagt. »Er hieß Fudo und trug in der einen Hand ein Schwert und in der anderen ein Seil, die Werkzeuge, die man braucht, um das Böse zuerst zu unterwerfen und dann zu fesseln. Er tötete mit seinem Schwert nur, wenn das eines anderen bereits Blut vergossen hatte und es auch wieder tun würde. Er trat für die Schwachen und Unschuldigen ein und wurde von allen gefürchtet, in deren Herzen die Dunkelheit lauerte. Ich werde dich Fudo-San nennen, weil du solch ein Mann bist. Ich bin bereit, dich zu unterrichten, weil du solch ein Mann bist.«
McCrackens Ansichten über sein Leben und seine Arbeit stimmten fast völlig mit dem Glaubensbekenntnis der Samurai überein, und Hiroshi spürte, daß Blaine für ein Leben als Ronin bestimmt war, als herrenloser Samurai. Er würde ein Beschützer und einsamer Rächer sein, genau wie der Gott Fudo es einmal gewesen war.
Doch die Bedeutung von ›Fudo-San‹ erstreckte sich noch auf eine subtilere Ebene. Das Wort fudo bedeutete auch unbeweglich, und auch das war eine Eigenschaft, die Hiroshi von Anfang an in McCracken gespürt hatte. Er war kein Mensch, der sich schnell änderte, würde es niemals sein. Die Zeit würde vergehen, und McCracken würde sich ihr anpassen, doch unter seinen eigenen Bedingungen.
Sie gingen durch einen schmalen Korridor in einen kleineren Raum, in dem eher formelle Tatami- Mattenlagen. Blaines Nase fing den schwach an Medizin erinnernden Geruch von warmem Sake auf; die Keramikfläschchen befanden sich in einem Topf mit kochendem Wasser, der über einem offenen Feuer hing. Hiroshi kniete davor nieder und goß zwei Becher voll; den ersten gab er McCracken.
»Trinken wir auf die alten Zeiten, Fudo-San.«
»Und sprechen wir von neueren, Hiroshi. Warum bist du verschwunden? Was ist passiert? Warum bist du …?«
»Der Bujin geworden?« vollendete Hiroshi den Satz für ihn. »Die Antwort ist ziemlich lang und kompliziert, und auch ermüdend.«
»Ich habe heute nichts mehr vor.«
»Der Fluch unseres Volkes, Fudo-San, ist die Tradition. Sie fesselt uns auf eine Art und Weise an unsere Vergangenheit, die wir nicht immer verstehen, aber akzeptieren müssen, weil sie uns zu dem macht, was wir sind.« Er hielt inne und trank einen großen Schluck Sake. »Es gab einmal einen Mann, einen Schläger, der es zu seinem Geschäft machte, Geld von arbeitenden Menschen zu nehmen, damit er ihnen, ihren Familien oder Geschäften nichts antat. Dieser Mann wurde von einer Bande unterstützt, und bei den wenigen Gelegenheiten, da die Polizei hinzugezogen wurde, hatten die Ankläger niemals Zeugen für ihre Beschuldigungen. Kurz darauf verschwanden sie immer oder überlegten es sich plötzlich anders. So etwas ist in Japan nicht ungewöhnlich. Es ging mich auch nichts an … bis dieser Mann, dieser Schläger, sein Geschäft auf das Dorf
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