Die Gang: Roman (German Edition)
Richtung des verlassenen Vergnügungsparks. Links konnte sie nicht mehr zurück. Und rechts kam sie nicht weiter, wenn sie nicht über einen der Zäune kletterte, die die Fahrgeschäfte umgaben.
Soll ich es versuchen?
Die polternden Schritte des Trolls schienen näher zu kommen. Sie riskierte einen Blick über die Schulter. Er war etwa fünf Meter hinter ihr, weiter weg als am Anfang.
Er sah wie ein Riese aus.
Aber er war nicht besonders schnell.
Er würde keine Rennen gewinnen, dachte Gloria. Aber ihre Angst ließ nicht nach. Kein bisschen. Sie hörte, wie sie selbst kurze, wimmernde Laute ausstieß, bei dem Versuch, schneller zu rennen.
Wenn er mich erwischt, schneidet er mir die Kehle durch. Das ist absurd, sagte sie sich. Ich bin kein Kind. Er ist kein menschenfressender Riese. Das hier ist kein Märchen. Das hier ist kein Albtraum.
Was ist das Schlimmste, das passieren kann?
Er vergewaltigt mich und bringt mich um.
In einer Ecke ihres Verstandes erklang ein unangenehmes Flüstern: Das ist nicht das Schlimmste.
Sie blickte wieder nach hinten. Jetzt war der Troll sogar noch weiter entfernt.
Ich werde es schaffen! Wenn ich nicht stolpere. Wenn er mich nicht in die Enge treibt. Wenn da keine anderen im Dunkeln weiter vorn warten.
Gott, ich wünschte, die Trolljäger wären hier!
Wo seid ihr, Trolljäger?
Vielleicht ist er der Jäger.
Er ist ein Troll. Er ist ein Troll. Der schlimmste Albtraum eines Kindes, ein Ungeheuer, das unter der Brücke lauert. O Gott!
Direkt voraus lag das Flower-Swing. Gloria fragte sich, ob sie versuchen sollte, dorthin zu gelangen. Was, wenn sie nicht schnell genug über den Zaun kam? Wenn sie aufhörte zu laufen, würde der Troll Sekunden später da sein. Wenn er ihren Rock zu fassen bekäme, oder …
Nein. Sie wagte es nicht.
Lauf weiter. Vergrößere deinen Vorsprung. Dann versuch es am Zaun.
Wenn du erst auf dem Strand bist …
Plötzlich fiel ein Lichtstrahl aus einer Tür rechts von ihr. Sie lag nicht auf der Höhe der Promenade, sondern befand sich oben auf einer kleinen Bühne.
Dunns Bude, stellte sie fest.
Sein Kuriositätenkabinett.
Jasper Dunns große, leichenhafte Gestalt erschien im beleuchteten Türrahmen. Er trug seinen Zylinder und den Frack. Er hob seinen Stock und winkte damit. »Hier herüber«, rief er. »Schnell!«
Gloria rannte auf ihn zu.
Sie hätte nie gedacht, dass sie sich einmal freuen würde, Jasper Dunn zu sehen.
Besser er als das, was hinter mir ist, dachte sie.
Atemlos hastete sie die Holztreppe hinauf.
»Schnell, schnell«, nötigte Jasper sie. »Hier werden Sie sicher sein.«
Er trat zur Seite. Gloria rannte durch die Tür. Als sie aufkreischte und herumwirbelte, rammte er ihr den Knauf des Stockes in den Bauch. Sie klappte zusammen und fiel auf die Knie.
Hinter ihr flüsterten und kicherten die Trolle. »Sollen wir sie das Haus besichtigen lassen?«, fragte Jasper.
Die Trolle johlten und applaudierten und kreischten.
Das Schlimmste, was passieren kann …
Gloria wusste plötzlich, dass sie es jetzt erleben würde.
29
Dave stellte den Wecker ab, blinzelte und war für einen Augenblick ganz durcheinander, bis ihm wieder einfiel, warum er den Wecker eine halbe Stunde vorgestellt hatte. Er wollte vor dem Dienst noch einmal bei Gloria vorbeigehen.
Verdammt lästig, das alles.
Aber nicht halb so lästig wie gestern Abend, als sie nach ihr suchten. Joan so etwas zuzumuten! Die Geschichte unter der Promenade hatte ihr wirklich Angst eingejagt. Und sie hatte sich dabei wehgetan. Später, als sie wieder in ihrer Wohnung waren, hatte sie die Bluse ein Stück geöffnet und von der Schulter gezogen, und beide hatten sich die Bescherung angesehen. Ihr Oberarm hatte eine gewaltige Prellung abbekommen, als sie gegen den Pfeiler gefallen war.
Dave erinnerte sich, dass er nur einen kurzen Blick darauf geworfen hatte, bevor er sich andere, glatte, unverletzte Bereiche ansah, den matten Farbton ihrer gebräunten Haut, die sich gegen den weißen BH-Träger abhob, und die Stelle, wo die von der Schulter gezogene Bluse sich knapp über ihre Brust spannte.
Er lehnte sich wieder zurück, schloss die Augen und verweilte in Gedanken bei diesem Augenblick.
Die Biegung ihres Halses. Die Vertiefung über ihrem Schlüsselbein. Die Art, wie sie den Kopf zur Seite bog, um sich ihre Verletzung anzusehen. »Fürs ganze Leben gezeichnet«, hatte sie gesagt.
»Du wirst dein Hemd eben immer anbehalten müssen.«
»Schade.« Sie hob den Arm und ließ
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