Die Gang: Roman (German Edition)
nicht, dass Schnaps in der Bowle war.«
»Aber sicher doch.«
»Ich hab’s nicht gewusst! Und alle anderen haben das Zeug auch getrunken.«
»Wenn alle anderen ins Wasser springen …«
»Ich weiß, ich weiß. Ich habe doch gesagt, dass es mir leidtut. Du musst mich nicht noch zusätzlich quälen.«
»Sprich nicht so mit mir!«
Er lehnte sich auf dem Stuhl zurück und schloss die Augen. Sie fühlten sich unter den Lidern heiß und trocken an. Und zu groß. Als wären sie zur doppelten Größe angeschwollen, unter einem schrecklichen pochenden Druck. »Ich habe meine Lektion gelernt«, murmelte er. »Ich fühle mich … furchtbar. Ich verspreche, dass ich nie wieder trinken werde. Aber bitte keinen Hausarrest. Bitte! Ich soll Shiner am Strand treffen.«
»Das ist noch eine andere Geschichte. Shiner. Sie hat mich tatsächlich zum Narren gehalten. Ich dachte, sie wäre ein nettes junges Mädchen.«
Jeremy öffnete die Augen und runzelte die Stirn. »Das ist sie auch.«
»Ich würde es nicht als nett bezeichnen, zu einer Party zu gehen und sich zu betrinken. Nicht, wenn sie die Verantwortung dafür hat, dich später nach Hause zu fahren. Dafür gibt es keine Entschuldigung. Und du hättest es besser wissen müssen, als ins Auto zu steigen mit jemandem, der …«
»Mom, sie hat nicht getrunken. Sie trank nur Pepsi.«
»Und das soll ich glauben?«
»Es ist die Wahrheit. Sie hat keinen Alkohol getrunken.«
»Also wusste sie, dass Schnaps in der Bowle war?«
»Nein. Sie mag nur keine Bowle.« Trotz der Schmerzen, die in seinem Kopf pulsierten, kam ihm eine Idee. »Jetzt fällt es mir ein. Sie sagte, sie sei Diabetikerin. Deshalb hat sie keine Bowle getrunken. Sie trank nur Pepsi ohne Zucker.«
»Hm.«
Er wusste nicht, ob seine Mutter ihm glaubte oder nicht. Wieso strengte er sich eigentlich so an, Shiner zu verteidigen? Zum Teufel, sie war verschwunden und hatte ihn sitzen lassen.
Mit gutem Grund.
Vielleicht könnten sie sich versöhnen. Wenn er sie jemals wiedersehen würde.
Aber die Hauptsache war, dass Shiner sein vorgeschobener Grund dafür war, heute Vormittag an den Strand zu dürfen. Er musste Mom von ihrer Unschuld überzeugen, oder sie würde ihn zu Hause behalten.
Wenn er nicht zum Strand gehen und Tanya sehen könnte …
»Sie hat gemerkt, dass die Bowle voll Schnaps war«, sagte er. »Und sie hat mich gewarnt. Dann habe ich das Zeug nicht mehr getrunken.«
»Nun, ich war vielleicht ein wenig vorschnell mit meinem Urteil über sie.«
»Sie mag dich. Sie findet dich sehr nett und wünscht sich, ihre Mutter wäre so wie du.«
»Wirklich?« Mom zog die Augenbrauen hoch und sah überrascht und erfreut aus.
»Ja, sie fand dich sehr nett.«
»Also, das ist ja alles schön und gut, aber ich denke, du solltest wirklich besser zu Hause bleiben. Ich kann das Verhalten von gestern Nacht einfach nicht durchgehen lassen.«
»Shiner rechnet mit mir. Sie wird am Strand warten. Sie wird denken, ich hätte sie sitzen lassen.«
»Alexander Graham Bell hat ein nützliches Gerät erfunden …«
»Ich weiß ihre Nummer nicht, Mom. Und sie steht nicht im Telefonbuch. Sie haben letztes Jahr so komische Anrufe bekommen, und … Bitte. Es ist unfair Shiner gegenüber. Sie wollte ein Picknick vorbereiten, sie wird sich all die Mühe machen und dann dasitzen und warten und nicht wissen, was mit mir los ist. Es ist einfach nicht fair.«
»Daran hättest du letzte Nacht denken sollen.«
»In Ordnung!«, stieß Jeremy hervor. »Gut!« Er warf das Messer und die Gabel auf den Tisch. Sie schepperten auf dem Teller, und seine Mutter zuckte zusammen, als hätte er sie geschlagen. In ihren Augen schimmerten Tränen. »Ich bleibe zu Hause. Ich bleibe für immer zu Hause. Mach mein Leben doch kaputt, warum nicht? Zum ersten Mal in meinem verdammten Leben habe ich Freunde, und du willst alles zerstören. Wenn du mich so hasst, warum knallst du mich nicht einfach ab, dann hast du es hinter dir?«
Er schob seinen Stuhl zurück und rannte aus der Küche.
»Jeremy!«, rief sie hinter ihm her.
»Zur Hölle damit! Zur Hölle mit allem!«
Er lief in sein Zimmer und warf sich aufs Bett. Sein Kopf tat höllisch weh. Es fühlte sich an, als würden Dolche in sein Hirn gebohrt. Er drückte sich das Kissen auf die Ohren und lag weinend da.
Ein paar Minuten gingen vorüber, bis er die erwarteten Schritte hörte. Die Matratze schaukelte ein wenig, als seine Mutter sich auf die Bettkante setzte. Ihre Hand streichelte seinen
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