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Die Gang: Roman (German Edition)

Die Gang: Roman (German Edition)

Titel: Die Gang: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Laymon
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»Versuch’s mal, es wird dir schmecken.« Er blickte misstrauisch auf das Zuckerzeug und schüttelte den Kopf. Joan nahm ihren Geldbeutel aus der Schultertasche und holte zehn Dollar heraus.
    »Wenn du glaubst, mich in diese Todesfalle locken zu können …«
    »Mein Lieber, jeder hat doch ein bisschen Angst vor Höhen.«
    »Das sagt die Frau, die auf die Achterbahn geklettert ist.«
    »Ich habe mir fast in die Hose gemacht. Aber ich bin trotzdem raufgestiegen, weil es eben getan werden musste. Und aus demselben Grund wirst du jetzt Riesenrad fahren.«
    »Das ist aber nichts, was unbedingt getan werden muss.«
    »O doch, das ist es.« Sie kaufte zehn Karten und bekam fünf Dollar zurück.
    Harold folgte ihr in die Schlange vor dem Riesenrad. Er lächelte nervös, als er ihr die Zuckerwatte zurückgab.
    »Du erwartest das doch nicht ernsthaft von mir?«
    »Es wird dir gefallen. Das verspreche ich dir.«
    »Es wird mir nicht gefallen, weil ich es nicht tun werde.«
    »Ich habe schon die Karten gekauft.«
    »Du kannst ja zweimal fahren. Ich werde hierbleiben, sicher auf dem festen Boden stehen und geduldig auf dich warten.«
    Sie sah ihm in die Augen. »Ich will, dass du mit mir kommst, Harold. Nur ins Riesenrad. Ich werde dich nicht bitten, Achterbahn zu fahren oder sonst irgendwas. Nur diese eine Fahrt. Es wird dich schon nicht umbringen.«
    »Aber nur deshalb, weil ich es nicht tun werde.«
    »Harold, bitte.«
    Jetzt war das nervöse Lächeln verschwunden. An seine Stelle war ein ärgerlicher Ausdruck getreten. »Ich verstehe wirklich nicht, wieso du so unnachgiebig darauf bestehst. Um Himmels willen, es ist nur eine Vergnügungsfahrt! Kein Grund, deswegen so quengelig zu werden! Es macht nicht den geringsten Unterschied, ob ich mit dem blöden Ding fahre oder nicht.«
    »Für mich macht es einen großen Unterschied«, sagte Joan.
    »Oh, ich muss beweisen, dass ich ein Mann bin. Ist es das? Ist das eine Art von Test?«
    »Es war nicht so gemeint«, sagte Joan.
    »Ich fahre mit dem blöden Ding, wenn dich das glücklich macht.«
    »Gut«, murmelte sie. Sie wandte sich von ihm ab, nahm einen Bissen Zuckerwatte, der in ihrem Mund schmolz, und fühlte sich, als müsste sie gleich losheulen.
    Das Riesenrad bewegte sich immer noch mit voller Geschwindigkeit, die hell erleuchteten Speichen drehten sich, die Gondeln wackelten, die Insassen kreischten, wenn sie von der beeindruckenden Höhe wieder herunterkamen. Einige von ihnen umarmten sich. Joan warf die Zuckerwatte in einen Abfalleimer.
    »Ich habe doch gesagt, dass ich fahren werde.« Es klang verdrießlich.
    »Ich habe es gehört.«
    »Also warum schmollst du dann?«
    »Das sollte uns eigentlich Spaß machen.«
    »Es tut mir leid.« So hörte es sich aber gar nicht an. »Ich glaube, für so was bin ich nicht geeignet. Vielleicht solltest du mit deinen Macho-Bullenfreunden hierherkommen. Ich bin sicher, Dave würde sich freuen, in diesem verdammten Riesenrad fahren zu können.«
    »Er würde jedenfalls nicht deswegen herumwinseln.«
    »Ach ja, ich winsele also. Ist das nicht wunderbar?«
    »Nicht besonders.«
    »Mein Gott!«
    »Du hast mich nie angefasst, Harold.«
    Sein Mund klappte auf.
    »Joan, um Himmels willen.« Er sah sich um, als befürchtete er, dass jemand zuhören könnte. Aber die anderen in der Reihe unterhielten sich miteinander. Die Luft war angefüllt mit Gelächter und Geschrei, den Rufen der Händler, dem Geknatter der Schüsse von den Schießständen und der Leierkastenmusik vom Riesenrad. Er brauchte sich wegen der Zuhörer keine Sorgen zu machen.
    »Liegt es an mir?«, fragte Joan. »Stimmt etwas mit mir nicht?«
    »Nein, selbstverständlich nicht.«
    »Was ist es dann? Wir gehen seit Wochen zusammen aus. Wir halten Händchen und geben uns Gutenachtküsse – ich gebe dir einen Gutenachtkuss. Und das war’s.«
    »Ich nahm an, es wäre dir so recht.«
    »Dann weißt du nicht viel über …« Der jämmerliche Ausdruck in Harolds Augen zwang sie, aufzuhören. »Du hast Angst vor mir, nicht wahr?«, fragte sie sanft.
    »Das ist doch lächerlich.«
    »Ich bin … wie das Riesenrad. Du hast Angst vor mir. Warum? Ich bin nur eine Frau.«
    »Eine sehr schöne Frau.«
    »Bin ich zu schön für dich? Soll das heißen, dass du mich nicht ansehen, nicht anfassen kannst, weil ich zu schön bin?«
    Er senkte den Kopf. »Irgendwas in der Richtung, schätze ich.«
    »Geht weiter, Leute.«
    Harold versteifte sich.
    Joan sah, dass die Reihe sich vorwärts bewegt

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