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Die Gang: Roman (German Edition)

Die Gang: Roman (German Edition)

Titel: Die Gang: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Laymon
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Klinge auf ihn zuschoss, drehte er sich zur Seite. Statt seine Brust voll zu treffen, zischte das Messer daran vorbei. Er fühlte keinen Schmerz, nur Hitze, hörte ein ratschendes Geräusch und spürte dann, wie etwas Warmes über seine Rippen lief.
    Er griff nach dem Handgelenk des Angreifers. Die andere Hand schmetterte er gegen dessen Ellbogen. Er hörte ein Knacken, als der Knochen aus dem Gelenk brach. Der Kerl schrie vor Schmerz auf und ließ das Messer fallen.
    Dave warf ihn in den Sand, kniete sich daneben und riss ihm den gebrochenen Arm herum und auf den Rücken. Der Junge schrie auf, aber er leistete keinen Widerstand mehr. Sekunden später hatte Dave ihm Handschellen angelegt.
    Jingles saß mit dem Rücken gegen einen Stützpfahl der Promenade gelehnt, tief im Schatten. Ihr Magen schmerzte von dem Kniestoß, den ihr der Mistkerl verpasst hatte. Es schien zu helfen, gekrümmt zu sitzen und die Knie an den Körper zu ziehen.
    »Wie lange ist es vorbei?«, fragte Lorna.
    »Keine Ahnung. Eine Stunde?« Vielleicht sogar länger, dachte Jingles. Es schien ewig her zu sein, dass sie die Sirene gehört hatten. Sie hatte sich bepinkelt, als der Junge sie mit dem Knie getroffen hatte. Die feuchten Shorts hatten sie zunächst nicht gestört. Aber nach einiger Zeit fühlte sich ihre Haut darunter heiß an und begann zu jucken. Sie hatte das Gefühl, als wäre es schon Ewigkeiten her. »Vielleicht ein paar Stunden«, fügte sie hinzu.
    »Vielleicht sind die Bullen jetzt weg«, sagte Lorna.
    »Und wenn?«
    »Vielleicht sollten wir gehen.«
    »O ja. Selbstverständlich. Falls du’s nicht bemerkt hast, mir fehlt was. Dieser verfluchte Drecksack.«
    »Was sollen wir machen?«
    »Ich weiß nicht.« Jingles stand auf und ließ ihren Bauch lange genug los, um den feuchten Hosenboden von ihrem Körper wegzuziehen. Sie drehte sich um und spähte durch den dunklen Wald der Pfähle. Sie konnte einzelne Abschnitte des hellen, sonnenbestrahlten Strandes sehen. Ein paar Leute kamen vorbei. »Kannst du nicht rausgehen und ein Top für mich finden?«, schlug sie vor.
    »Was, ein Bikinioberteil von jemandem klauen oder so?«
    »Oder ein Handtuch.«
    »Einfach so, he? Dann erwischen mich die Bullen, und du sitzt hier mit deinen Titten in der Seeluft.«
    Jingles trat zurück hinter den Pfahl und sah Lorna an. »Hast du Geld dabei?«
    »Ich hab meine Tasche im Auto gelassen.«
    »Ja, ich auch, Mist. In diesen Läden da oben gibt’s jede Menge Zeug. Kannst du nicht hingehen und mir da was klauen?«
    »Hör auf zu spinnen. Sieh mich doch mal an.« Sie zog an ihrem engen Top. »Wo soll ich denn da ’ne Bluse oder so was verstecken?«
    Jingles schüttelte den Kopf. Man konnte sogar durch den Stoff der Bluse ihrer Freundin sehen. Und unter dem Rock konnte man auch nichts verstecken. Er war einfach zu kurz.
    »Irgendwo verstecken kannst du’s nicht. Zieh’s einfach an. Schnapp dir ’ne Bluse und zieh sie an, und die werden denken, es wär deine.«
    »Vergiss es. Sieh mich doch an. Glaubst du, ich könnte in einen Laden einfach so unauffällig reinspazieren?«
    »Wahrscheinlich nicht«, gab Jingles zu. Lorna hatte recht. Alle Blicke würden auf ihr ruhen, wegen ihres rasierten Kopfes und der Kleider, die so viel enthüllten. Die Leute hatten sie schon vor dem Kampf angeglotzt. Jetzt hatte ihre Unterlippe einen Riss und war angeschwollen. Ein Träger ihres Tops war gerissen, ihre rechte Schulter nackt, und der Träger hing so herunter, dass ein Teil ihrer rechten Brust unbedeckt war. Jeder würde sie anstarren. Aus welchem Grund auch immer.
    »Ein Blick auf mich«, sagte Lorna, »und jeder verdammte Ladenbesitzer schreit nach der Polizei.«
    »Nicht, wenn’s ein Kerl ist«, sagte Jingles.
    »Nein. Vergiss es.«
    »Wir wär’s dann, wenn du zum Auto gingst?«, fragte sie.
    »Woody hat es abgeschlossen.«
    »Dann schlag ein Fenster ein.«
    »Er wird mich umbringen.«
    »So schnell wird der keinen umbringen. Wahrscheinlich ist er schon hinter Gittern. Du zerbrichst also die Scheibe, holst die Geldbeutel raus und …«
    »Glaubst du, ich bin bescheuert? Bei Tageslicht ins Auto einbrechen?«
    »Ich würde es für dich tun.«
    »Das kannst du leicht sagen, weil es nicht infrage kommt.«
    »Gib mir dein T-Shirt, und ich zieh los und schnappe mir was.«
    »Nein, danke. Mich hier allein lassen? Du wirst erwischt, und ich sitze hier fest. Nein, nein. Ich stelle mir gerade vor, wie ich versuche, zurück nach Three Corners zu trampen, meine …«

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