Die Gang: Roman (German Edition)
Ich werde es nicht zulassen, dass du dich mit einer Schlampe oder einer Kriminellen einlässt …«
»Das ist sie nicht! Verdammt noch mal, Mom!«
»Sprich nicht so mit mir, junger Mann. Ich bin deine Mutter, nicht einer deiner Gaunerfreunde.« Sie hielt den Wagen ruckartig an. »Lass uns gehen.«
Jeremy schüttelte den Kopf. »Du kannst nicht mit mir kommen.«
»Erzähl du mir nicht, was ich tun kann und was nicht.«
»Dann bleibe ich hier im Auto.«
»In Ordnung, dann fahren wir wieder nach Hause.«
»Mom, bitte!«
Sie starrte ihn an. Ihr Blick wurde weicher. »Ich will doch nur dein Bestes, Schatz.«
»Es ist alles in Ordnung mit Shiner«, sagte er, und seine Stimme zitterte. Er war den Tränen nahe. »Sie ist nett. Sie ist keine Herumtreiberin oder so was.«
»Ich würde sie gern treffen und mir selbst ein Urteil bilden. Ich bin lange genug Lehrerin gewesen, um innerhalb einer Sekunde anständige Kids von schlechten unterscheiden zu können.«
»Ich werde sie einladen. Okay? Aber du kannst jetzt nicht mit mir an den Strand gehen. Bitte! Es würde alles verderben. Diese Kids hier mögen mich. Sie halten mich nicht für einen Schwächling oder einen Schwulen oder ein Muttersöhnchen. Wenn du mit mir da rausgehst, als wäre ich ein Vierjähriger, werde ich das nie wieder los. Ich werde in dieser Stadt genauso angeschmiert sein wie in Bakersfield. Ich könnte genauso gut gleich aus dem Fenster springen.«
»So was darfst du nicht einmal denken.«
»Es tut mir leid«, murmelte er. »Aber ich habe es gehasst, wie es in Bakersfield war. Hier habe ich eine Chance. Bitte verdirb sie mir nicht.«
Er sah Tränen in den Augen seiner Mutter. Ihre Lippen waren fest zusammengepresst. Sie nickte, hob eine Hand und streichelte seine Wangen. »Ich will nur sicher sein, dass dir nichts passiert.«
»Ich weiß. Vertrau mir einfach, ja?«
»Also gut. Viel Spaß. Und bitte das Mädchen heute zu uns zum Abendessen.«
»Mach ich. Danke, Mom.« Er lehnte sich hinüber und küsste sie.
Dann stieg er aus. Er ging um das Auto herum. Mom schaute ihn durchs Fenster an. Ihre Augen waren immer noch rot, aber sie lächelte. Er winkte. Sie fuhr los. Mein Gott, dachte er, beinahe hätte sie alles verdorben! Er hätte Shi ner nie erwähnen dürfen. Er hätte Mom nie wegen des Autos fragen dürfen. Er hätte einfach sein Rad nehmen sollen.
Nun gut, die Lektion hatte er gelernt. Von jetzt an hältst du die Klappe.
Er sah ein paar Trolle auf der Treppe sitzen. Sie unterhielten sich lebhaft miteinander. Er rannte die Treppe hinauf, nahm immer zwei Stufen auf einmal, um außer Reichweite zu sein, bevor sie ihn um Geld anbetteln konnten.
Vor ihm stand die Kartenbude. Er erinnerte sich, wie Tanya von dort heruntergesprungen war. Und wie er und Shiner zu dem am Boden liegenden Troll gerannt waren, um ihn zu treten, und wie Shiner einen Hieb an die Brust bekommen und er den Finger des Trolls gebrochen hatte.
Jetzt war der Troll tot, tief unten im Meer.
Jeremy fühlte sich, als würde ihm die Kehle zugeschnürt. Immerhin sind die Krämpfe weg, dachte er und atmete tief ein.
Als er die Promenade überquerte, schaute er kurz nach links und erblickte von Weitem das gewaltige Riesenrad. Es war so hoch . In Gedanken sah er, wie der alte Mann aus dem Nebel herabfiel.
Er beeilte sich, rannte die Treppe zum Strand hinunter und lief in Richtung der Rettungsschwimmerstation. Noch war er zu weit weg, um Shiner unter den Leuten erkennen zu können, die dort am Strand ausgestreckt lagen.
Würde er sie überhaupt wiedererkennen?
Von dort, wo er stand, konnte er nur einen Teil der Rettungsschwimmerstation sehen, und es schien niemand da zu sein.
Er ging weiter, aber dann drehte er sich noch einmal um und schaute zum Riesenrad hinüber. Er wollte nicht hinsehen, aber er konnte nicht anders. Die Gondeln des sich drehenden Rads hoben sich leuchtend rot vom blassen Himmel ab.
Und wieder sah er den alten Troll fallen.
Er sah den geschundenen Körper auf der Plattform unter dem Rad.
Er sah Tanya, wie sie das im falschen Winkel abstehende Bein in die richtige Lage schob.
Sein Magen wurde kalt und zog sich zusammen.
Es war nicht meine Schuld.
War Funland ihm nun für immer verdorben? Was, wenn er nie wieder hierherkommen könnte, ohne von den Erinnerungen an die vergangene Nacht gequält zu werden? Aber einiges hatte ihm auch gutgetan. Ein Mitglied der Gruppe zu sein – zum ersten Mal im Leben kein Außenseiter. Das Gefühl, als Tanya ihm die
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