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Die Gang: Roman (German Edition)

Die Gang: Roman (German Edition)

Titel: Die Gang: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Laymon
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sicher. Die Rollen quietschten, als sie die Griffe zu ihrem Kinn herabzog und dann wieder hochschnellen ließ. An dem Seil hinter ihr hing ein Gewicht mit fünfzig Kilogramm. Vielleicht würde sie Dave anrufen, wenn sie ihre Übungen beendet hatte, und fragen, wie es mit Gloria weitergegangen war. Es war nach sieben Uhr. Er sollte jetzt eigentlich fertig sein.
    Sie zog die Griffe wieder herunter.
    War das jetzt das sechste Mal gewesen?
    Ihr Herz klopfte mit schnellen festen Schlägen, sie atmete heftig, und ihr Sweatshirt fühlte sich innen feucht an.
    Noch sechs, und du hast es hinter dir.
    Sie hatte bereits eine halbe Stunde trainiert. Nach ein paar einfachen Aufwärmübungen hatte sie damit angefangen, einige Karatesituationen durchzuspielen. Aber Karate deprimierte sie. Ihr stand immer noch vor Augen, wie ihr Fuß gegen Woodrow Abernathys Kinn gekracht war. Bis diese Erinnerungen aufgetaucht waren, hatte sie sich hervorragend gefühlt; also hörte sie jetzt mit dem Karatetraining auf und machte an der Kraftmaschine weiter. Sie arbeitete mit jeder Muskelpartie, bis es wehtat, und dies war jetzt die letzte Übung.
    Noch einmal zog sie an den Griffen, schob sie wieder zurück und ließ sie los. Sie zog das Sweatshirt vom Körper weg. Kühle Luft strömte über ihre heiße, feuchte Haut. Dann hob sie das Sweatshirt hoch und wischte sich den Schweiß ab.
    Sie fühlte sich gut, wenn man von einem Hauch von Schuldgefühlen absah, weil sie die Karateübungen hatte ausfallen lassen. Kraft war ja schön und gut, aber Karate machte sie schnell und schärfte ihren Gleichgewichtssinn. Aber sie zögerte, es nochmals zu versuchen.
    Dann kam ihr eine Idee, die sie gleich in bessere Stimmung versetzte. Sie ging zu dem alten Plattenspieler in der Ecke des Übungsraums, holte eine LP aus dem Schrank und legte sie auf den Plattenteller. Vorsichtig setzte sie den Tonarm auf einen Track, den sie in guter Erinnerung hatte, und ging dann auf die Matte zurück. John Denvers helle, klare Stimme sang Calypso . Sie tanzte auf der Matte zum Rhythmus der Musik und machte drei Überschläge auf die andere Ecke der Matte zu und blieb dabei nur geringfügig hinter dem Rhythmus zurück. Aber dann stolperte sie von der Matte. Aus mit der Bestnote, dachte sie, wirbelte herum und fuhr fort, tanzend, tretend, springend, wirbelnd, Rad schlagend und mit Purzelbäumen, und endete mit einem dreifachen Flickflack rückwärts, der früher die Zuschauer begeistert hatte, Joan aber heute flach auf dem Rücken landen ließ. Sie hörte jemanden applaudieren.
    Debbie stand in der Tür und grinste.
    »Wie hat ein Trampel wie du es jemals bis zu den Landesmeisterschaften geschafft?«
    »Damals war ich keine 1,78 groß.«
    »Ich würde dir ja zeigen, wie man es richtig macht, aber ich muss gehen.«
    »Lass dich nicht aufhalten.«
    »Wie sehe ich aus?«
    Sie trug weiße Jeans. Das Blau ihrer glänzenden Bluse betonte das Blau ihrer Augen. Auf ihren Wangen lag ein zartes Glühen vom Nachmittag am Strand. Das blonde Haar umrahmte in weichen Locken ihr Gesicht.
    »Du siehst toll aus«, sagte Joan. »Das wird die Burschen umwerfen.«
    »Wenn welche da sind.« Debbie rümpfte die Nase. »Du kennst doch Jessica. Sie ist ein solches Musterexemplar an Tugend, dass man froh sein kann, wenn sich ein Mann in einer Meile Umkreis aufhält.«
    »Trotzdem, viel Spaß. Und sei um zwölf wieder zurück.«
    »Wenn es zu langweilig wird, bin ich schon viel eher wieder da. Wirst du dich heute Abend mit Dave treffen?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Vielleicht solltest du ihn hierher einladen und ihm deine Bodenübungen zeigen. Ich bin sicher, dass er ausrasten würde – besonders wenn du beim Radschlagen beinahe dein Sweatshirt verlierst.«
    »Kommst du nicht zu spät oder so?«
    Debbie lachte. »Wann werde ich ihn kennenlernen?«
    »Was willst du eigentlich? Sogar ich bin bisher noch nicht mit ihm ausgegangen.«
    »Ich bin neugierig, wie er aussieht.«
    »Wenn es dich so sehr interessiert, dann komm doch zur Promenade, wenn wir morgen im Dienst sind.«
    »Ja. Danke. Ich meine: Nein danke.«
    »Was hast du plötzlich gegen Funland? Du bist doch sonst immer hingegangen.«
    »Das war, bevor meine große Schwester da Streife ging.«
    »Bin ich dir peinlich?« Joan grinste.
    »Vielleicht, wenn ich hinginge und meinen Spaß haben wollte.«
    »Das tut mir leid. Aber Dienst ist Dienst.«
    »Wann wirst du woandershin versetzt?«
    »Wer weiß. Aber mach dir keine Gedanken, ich werde nicht immer

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