Die Gateway-Trilogie: Mit einem Vorwort von Jack Vance (German Edition)
darauf ein. Er zeigte auf eine Wölbung in der blau leuchtenden Wand.
»Das ist eine Stelle für Wasser«, sagte er, »aber eine tote. Es gibt Dutzende davon, doch sie sind fast alle tot.«
Aus Pflichtgefühl besichtigte Janine die Stelle und richtete die Handkamera darauf, während er die runde Abdeckung entfernte und wieder anbrachte. An der Oberseite gab es einen nasenartigen Vorsprung, unten einen Abfluss; das Ganze war fast so groß, dass man hineinsteigen konnte, aber knochentrocken.
»Du hast gesagt, eine solche Anlage funktioniere noch, aber das Wasser sei nicht trinkbar?«
»Ja, Janine. Soll ich sie dir zeigen?«
»Ja, ich denke schon.« Sie fügte hinzu: »Lass dich von denen nur nicht aufregen. Sie werden eben immer gleich wild.«
»Ja, Janine.« Aber in einer gesprächigen Stimmung war er nicht.
»Als ich klein war, hat er mir Geschichten erzählt«, fuhr sie fort. »Die meisten machten einem Angst, aber manche auch nicht. Er erzählte mir vom Schwarzen Peter, der, soviel ich herausbekommen habe, eine Art Weihnachtsmann gewesen ist. Er sagte, wenn ich brav sei, bringe mir der Schwarze Peter zu Weihnachten eine Puppe, aber wenn nicht, würde ich ein Stück Kohle von ihm bekommen. Oder etwas noch Schlimmeres. So habe ich Papa dann immer genannt – Schwarzer Peter. Aber einen Klumpen Kohle hat er mir nie gegeben.«
Er lauschte aufmerksam, während sie durch den leuchtenden Korridor gingen, antwortete aber nicht. »Dann starb meine Mutter«, fuhr sie fort, »und Paul und Lurvy heirateten, und ich zog für eine Weile zu ihnen. Aber Paps war wirklich nicht so übel. Er besuchte mich, sooft er konnte – denke ich. Wan! Verstehst du überhaupt, was ich zu dir sage?«
»Nein«, erwiderte er. »Was ist ein Weihnachtsmann?«
»O Wan!«
Sie erklärte ihm also den Weihnachtsmann und Weihnachten und musste dann Winter und Schnee und Geschenke erklären. Sein Gesicht glättete sich, er begann zu lächeln, und seltsamerweise wurde Janines Stimmung um so gedrückter, je mehr sich die von Wan hob. Bei dem Versuch, Wan die Welt zu erklären, in der sie lebte, wurde sie gezwungen, sich mit der Welt auseinander zu setzen, die vor ihr lag. Es ist doch beinahe besser zu tun, was Peter vorgeschlagen hatte, dachte sie, einfach aufzugeben und ins wirkliche Leben zurückzukehren. Alle Alternativen waren Angst erregend. Sie befanden sich in einem künstlichen Gebilde, das unbeirrbar durch den Weltraum flog, einem unbekannten Ziel entgegen. Und wenn es dort ankam? Wovor würden sie stehen? Oder wenn sie mit Wan zurückflogen, was würde sie dort erwarten? Hitschi? Hitschi! Hier brach die Angst erst auf. Janine hatte ihr ganzes junges Leben im Schatten der Hitschi verbracht – Furcht erregend, weniger wirklich als mythisch. Wie der Schwarze Peter oder der Weihnachtsmann. Wie Gott. Alle Mythen und Gottheiten sind erträglich, was den Glauben an sie betrifft – aber was, wenn sie Wirklichkeit werden?
Sie wusste, dass ihre Familie sich nicht weniger fürchtete als sie, obwohl das ihren Worten nicht zu entnehmen war – sie gaben ihr ein Beispiel an Mut. Sie konnte nur vermuten. Sie nahm an, dass Paul und ihre Schwester Angst hatten, sich aber entschlossen hatten, alles auf eine Karte zu setzen und zu hoffen, dass alles gut ging. Ihre eigene Angst war eine ganz besondere – weniger Angst vor dem, was geschehen mochte, als davor, wie sie reagieren mochte, wenn es geschah. Was ihr Vater empfand, war allen klar. Er war zornig und angstvoll, und wovor er sich fürchtete, war, zu sterben, bevor er sich für seinen Mut hatte bezahlen lassen.
Und was fühlte Wan? Er wirkte so unkompliziert, während er sie in seinem Reich herumführte, wie ein Kind, das ein anderes an den Schätzen seiner Spielzeugtruhe teilhaben lässt. Janine wusste es besser. Wenn sie in ihren vierzehn Jahren etwas gelernt hatte, dann das eine, dass niemand unkompliziert war. Wans Komplikationen waren lediglich nicht dieselben wie ihre, was sie sofort erkannt hatte, als er ihr die Wasseranlage zeigte, die noch funktionierte. Er hatte das Wasser nicht trinken können, die Anlage aber als Toilette benützt. Janine, in der westlichen Welt aufgewachsen, in der man so tat, als gäbe es die Ausscheidung nicht, hätte Wan nie an solch einen Ort geführt, aber er zeigte keine Spur von Verlegenheit. Sie konnte ihn auch nicht in Verlegenheit bringen.
»Irgendwo musste ich hingehen«, sagte er mürrisch, als sie ihn dafür rügte, dass er nicht wie alle anderen
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