Die Gateway-Trilogie: Mit einem Vorwort von Jack Vance (German Edition)
Jahreszeit, in der es kaum Wetterprobleme gab. Walthers hatte mehr als genug Zeit, über seine Frau nachzudenken. Es war für ihn ein persönlicher Triumph gewesen, als sie geheiratet hatten. Aber warum lebten sie nun nicht glücklich bis ans Ende ihrer Tage?
Sicher, Dollys Leben war nicht leicht gewesen. Ein Mädchen aus Kentucky, ohne Geld, ohne Familie, ohne Arbeit – ja, ohne irgendeine Ausbildung und vielleicht auch ohne überragenden Verstand –, so ein Mädchen musste alles, was sie sonst zu bieten hatte, einsetzen, um aus dem Kohlegebiet herauszukommen. Und das Einzige, was Dolly zu bieten hatte, war ihr Aussehen. Sie war sehr hübsch, wenn auch mit kleinen Mängeln. Sie hatte eine schlanke Figur und strahlende Augen, aber vorstehende Zähne. Mit vierzehn bekam sie einen Job als Go-go-Girl in Cincinnati. Von dem Geld konnte man aber nicht leben; es sei denn, man betrieb ein bisschen Prostitution am Rande. Das wollte Dolly aber nicht. Sie sparte sich auf. Sie versuchte es mit Singen, hatte aber nicht genug Stimme. Außerdem wirkte sie wie ein Bauchredner, wenn sie zu singen versuchte, ohne ihre Zähne zu zeigen … Als ihr das ein Kunde, den sie abgewiesen hatte, aus Wut sagte, ging ihr ein Licht auf. Der Manager dieses Clubs hielt sich für einen Komiker. Dolly wusch und nähte für ihn. Dafür brachte er ihr ein paar komische Darbietungen bei. Dann machte sie sich Handpuppen und studierte jede Aufführung eines Puppentheaters auf dem PV-Schirm. An einem Samstag probierte sie es als letzte Darbietung, als eine andere Sängerin am Sonntag ihren Platz einnehmen sollte. Ihre Nummer war zwar nicht Spitze, aber die andere Sängerin war so schlecht, dass man Dolly noch mal eine Chance gab. Zwei Wochen in Cincinnati, einen Monat in Louisville, beinahe drei Monate in kleinen Clubs außerhalb von Chicago – wären die Engagements nahtlos ineinander übergegangen, wäre es Dolly recht gut gegangen. Es lagen aber Wochen und Monate dazwischen. Sie musste nicht wirklich Hunger leiden. Zu der Zeit, als Dolly auf Peggys Planet kam, hatte sie ihre Darbietung so weit verfeinert, dass es ging. Nicht gut genug, um damit Karriere machen zu können, aber gut genug, um sich zu ernähren. Die Fahrt zu Peggys Planet war ein Schritt der Verzweiflung gewesen, weil man für den Flug dorthin sein Leben aufs Spiel setzen musste. Sie wurde zwar auch hier kein Star, es ging ihr aber auch nicht schlechter. Und sie sparte sich nicht länger auf. Sie gab sich aber auch nicht wahllos jedem hin. Als Audee Walthers Jr. ihr über den Weg lief, bot er ihr mehr als die meisten vorher – Heirat. Da griff sie zu. Mit achtzehn heiratete sie einen Mann, der doppelt so alt war wie sie.
Dollys Leben war schwer, aber auch nicht schwerer als das eines jeden anderen auf Peggys Planet – wenn man natürlich von Leuten wie Audees Ölprospektoren absah. Die Prospektoren – oder ihre Firmen – bezahlten den vollen Flugpreis zu Peggys Planet. Von denen hatte jeder eine bezahlte Rückfahrkarte in der Tasche.
Das stimmte sie aber auch nicht fröhlicher. Bis West Island, dem Punkt, den sie für ihr Basislager ausgesucht hatten, war es ein Flug von sechs Stunden. Nachdem sie gegessen und ihre Unterkünfte aufgestellt sowie ihre Gebete ein- oder zweimal gesprochen hatten – nicht ohne sich zu streiten, in welche Richtung sie sich wenden sollten –, war ihr Kater ziemlich weg. Allerdings war es inzwischen auch schon zu spät, um an diesem Tag noch etwas zu unternehmen. Für sie. Nicht für Walthers. Er bekam den Auftrag, zwanzigtausend Hektar hügeligen Buschlands kreuz und quer zu überfliegen. Da er nur einen Massesensor hinterherziehen musste, um die Anomalien in der Schwerkraft zu messen, spielte die Dunkelheit keine Rolle. Für Mr. Luqman spielte sie keine Rolle, für Walthers schon. Dies war genau die Art von Fliegerei, die er am meisten hasste. Er musste sehr tief fliegen. Und einige der Hügel waren ziemlich hoch. Er flog also mit Radar und Suchstrahler in Betrieb und erschreckte die langsamen, dummen Tiere, die in dieser Savanne in West Island lebten, zu Tode. Er selbst erschrak auch ganz gehörig, als er bemerkte, dass er eingedöst war. Beim Aufschrecken konnte er gerade noch die Maschine hochreißen, als eine mit Gebüsch bewachsene Kuppe auf ihn zuraste.
Es gelang ihm, fünf Stunden zu schlafen, ehe Luqman ihn aufweckte, damit er ein paar Stellen fotografisch erfasste, die noch nicht genau erkundet waren. Als er das hinter sich
Weitere Kostenlose Bücher