Die Gateway-Trilogie: Mit einem Vorwort von Jack Vance (German Edition)
antworten. Seine Züge waren angespannt. Yee-xing blickte ihn erstaunt an. Dann zeigte sie auf die Wachposten vor ihnen. »Das ist es, was sie hauptsächlich bewachen«, erklärte sie. »Da ist nämlich immer noch einer auf der S. Ya. Gibt viel zu viele davon! Es ist ihnen auch viel zu spät eingefallen, die Dinger abzuschirmen. Jetzt verfügt ein Haufen Terroristen über einen Hitschi-Fünfer mit einem TPSE, und da ist noch jemand, der wirklich verrückt ist. Ich meine, richtig wahnsinnig! Wenn er das Ding einschaltet, und du spürst ihn in deinem Kopf, ist das so unheimlich und grauenvoll – Walthers, fehlt dir etwas?«
Es war natürlich der ausgesetzte Junge, Wan, der das Fieber verursachte. Dabei wollte er lediglich irgendeine Form menschlichen Kontakts, weil er so einsam war. Er hatte gar nicht die Absicht, die Mehrzahl der menschlichen Rasse mit seinen verrückten und besessenen Gedanken in den Wahnsinn zu treiben. Die Terroristen dagegen wussten ganz genau, was sie taten.
Er blieb am Eingang zu dem golden glitzernden Korridor stehen. Die Wachposten schauten ihm neugierig entgegen. »Der Wahnsinn«, überlegte er. »Wan! Das war doch früher sein Schiff!«
»Ja, sicher«, bestätigte die junge Frau und verzog das Gesicht. »Hör mal, wir wollten doch was essen gehen. Es wird langsam Zeit.« Sie machte sich Sorgen. Walthers’ Kiefer waren fest zusammengepresst, die Gesichtsmuskeln angespannt. Er sah aus wie jemand, der erwartete, einen Schlag ins Gesicht zu bekommen. Auch die Wachen wurden unruhig. »Komm doch, Audee!«, bat sie ihn.
Walthers bewegte sich und schaute sie an. »Geh schon vor!«, sagte er. »Ich habe keinen Hunger mehr.«
Wans Schiff! Wie merkwürdig, dachte Walthers, dass ihm der Zusammenhang nicht schon früher aufgefallen war. Natürlich, das war es!
Wan war auf diesem Schiff geboren worden. Lange, ehe man es in S. Ya. Broadhead umbenannt hatte, lange, ehe die menschliche Rasse wusste, dass es existierte … es sei denn, man rechnete die paar Dutzend entfernte Verwandte des Australopithecus afarensis zu den Menschen. Wan war von einer schwangeren Gateway-Prospektorin geboren worden. Ihr Mann war auf einer Mission verloren gegangen, sie auf einer anderen gestrandet. Sie blieb noch einige Jahre am Leben, dann ließ sie ihn als Waisen zurück. Walthers konnte sich Wans Kinderjahre nur mit Mühe vorstellen – ein winziges Kind in diesem riesigen, beinahe leeren Schiff, keine Gesellschaft außer Wilden und den computergespeicherten Analoga toter Raumprospektoren, von denen eine zweifellos seine Mutter gewesen war. Man musste Mitleid haben …
Walthers hatte aber kein Mitleid. Nicht mit Wan, der sich seine Frau ausgeliehen hatte; und auch nicht mit dem Mann, der diese Maschine entdeckt hatte, den TPSE – die Abkürzung für »Telempathisch-Psychokinetischer Sender-Empfänger«, wie er in der schwerfälligen Bürokratensprache hieß. Wan hatte ihn nur eine Traumcouch genannt. Der Rest der Menschheit hatte ihn als »Fieber« bezeichnet, diese grauenvolle, undefinierbare Besessenheit, die jeden lebenden Menschen befallen hatte, als der dämliche junge Wan diese Couch entdeckte und herausfand, dass er dadurch eine Art Kontakt mit lebenden Wesen herstellen konnte. Er wusste aber nicht, dass dadurch die Menschheit auch eine Art von Kontakt mit ihm herstellte. Und so drangen seine pubertären Träume, Ängste und sexuellen Phantasien in zehn Milliarden menschliche Gehirne … Walthers erinnerte sich daran, und es gab ihm einen weiteren Grund, Wan zu hassen.
Er konnte sich an diesen wiederholt auftretenden, weltweiten Wahnsinn nicht mehr in allen Einzelheiten erinnern, konnte sich auch nicht mehr vorstellen, wie verheerend die Wirkung gewesen war. Er versuchte gar nicht erst, sich Wans einsame, leere Kindheit hier vorzustellen, sondern dachte lieber an den jetzigen Wan, der auf seinen geheimnisvollen Fahrten die Sterne umkreiste, seine einzige Gefährtin dabei Walthers’ flüchtige Ehefrau – das, und zwar mit allem Drum und Dran, konnte er sich sehr wohl vorstellen.
Und das tat er auch. Er verbrachte fast die ganze Stunde, die ihm bis zum Dienstantritt blieb, mit diesen Vorstellungen. Bis er erkannte, dass er sich in Selbstmitleid wälzte und sich freiwillig so erniedrigte, wie es für einen erwachsenen Menschen unwürdig war.
Er war pünktlich. Yee-xing war vor ihm in der Pilotenkanzel. Sie sagte nichts, blickte ihn nur überrascht an. Er lächelte ihr zu und ging an die
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