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Die Gateway-Trilogie: Mit einem Vorwort von Jack Vance (German Edition)

Die Gateway-Trilogie: Mit einem Vorwort von Jack Vance (German Edition)

Titel: Die Gateway-Trilogie: Mit einem Vorwort von Jack Vance (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederik Pohl
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die Rollen getauscht hatten. Wenn Essie und ich uns in der Öffentlichkeit zeigen, bin ich es für gewöhnlich, den die Leute anstarren. Nicht hier. Nicht in Essies Restaurantkette. Hier war Essie der Star. Draußen stellten sich die Passanten auf, um die Parade anzuschauen. Drinnen warfen die Angestellten keinen Blick darauf. Sie gingen mit angespannten Rückenmuskeln ihrer Arbeit nach. Riskierte mal einer einen verstohlenen Blick, dann nur auf die mächtige Chefin, den Lady-Boss. Oft benahm sie sich nicht sehr ladylike. Essie hatte zwar ein Vierteljahrhundert lang Unterricht in Englisch bekommen, von einem Experten – von mir –, aber wenn sie sich aufregt, tönt es laut »Nekulturnyj« und »Chuligan!« 3
    Ich wechselte zum Fenster im ersten Stock, um mir die Parade anzusehen. In Zehnerreihen marschierten sie die Weena mit Musik und Plakaten hinunter. Lästig und störend! Vielleicht noch schlimmer. Auf der anderen Straßenseite kam es vor dem Bahnhof zu einem Zusammenstoß zwischen Polizisten und Demonstranten. Aufrüster und Pazifisten waren sich in die Haare geraten. Man konnte sie nur schlecht auseinander halten, weil sie mit ihren Plakaten aufeinander einschlugen. Essie setzte sich zu mir. Sie nahm ihren Big Chon, warf einen Blick hinaus und schüttelte den Kopf. »Wie ist das Sandwich?«, fragte sie.
    »Gut«, lobte ich, den Mund voll von Kohlenstoff, Wasserstoff, Sauerstoff, Stickstoff und Spurenelementen. Sie warf mir einen Rede-lauter-Blick zu. »Ich sagte, gut!«, wiederholte ich lauter.
    »Ich kann dich nicht verstehen bei dem Lärm«, beschwerte sie sich und leckte sich die Lippen – ihr schmeckte, was sie verkaufte.
    Ich deutete mit dem Kopf zur Parade. »Ich weiß nicht, ob das gut ist«, bemerkte ich.
    »Ich glaube nicht«, stimmte sie mir bei und blickte mit Abscheu auf eine Gruppe, die man, soviel ich wusste, Zuaven nennt – dunkelhäutige Marschierer in Uniform. Ich konnte die Nationalabzeichen nicht erkennen, aber jeder trug ein Schnellfeuergewehr und führte damit alle möglichen Kunststücke vor: wirbeln, mit dem Kolben auf das Pflaster schlagen, sodass das Gewehr wieder nach oben in die Hand zurückschnellte, und das alles, ohne aus dem Gleichschritt zu geraten.
    »Vielleicht sollten wir uns lieber zurück ins Gericht begeben«, schlug ich vor.
    Sie nahm noch die letzten Krümel meines Sandwichs auf. Manche russischen Frauen gehen auseinander und werden zu Fettkugeln, wenn sie über vierzig sind; manche trocknen ein. Nicht aber Essie. Sie hatte immer noch die schlanke Taille und den geraden Rücken, die meinen Blick beim ersten Mal gefesselt hatten. »Vielleicht sollten wir«, meinte sie und sammelte ihre Computerprogramme zusammen, jedes auf einem eigenen Datenfächer. »Habe als Kind genug Uniformen gesehen, bin nicht gerade scharf darauf, sie alle hier präsentiert zu bekommen.«
    »Du kannst aber keine Parade ohne Uniformen abhalten.«
    »Nicht nur bei der Parade. Schau! Auf den Bürgersteigen auch.« Es stimmte. Fast jede vierte Person trug eine Art Uniform. Das war für mich überraschend. Ich hatte es vorher nicht bemerkt. Natürlich hatte jedes Land schon seit eh und je Truppen unterhalten. Man hatte sie aber wie einen Feuerlöscher zu Hause in einem Wandschrank verstaut. Man sah sie eigentlich nie. Aber jetzt zeigten sie sich immer mehr.
    »Schön«, sagte sie und wischte sorgfältig die CHON-Krümel vom Tisch auf einen Wegwerfteller. Dann sah sie sich nach dem Mülleimer um. »Du musst sein sehr müde. Wir gehen. Bitte, dein Abfall!«
    Ich wartete auf sie an der Tür. Als sie kam, schaute sie finster drein. »Der Behälter war fast voll. Im Handbuch steht klar: Ausleeren, wenn sechzig Prozent voll … Oh, Teufel! Meine Programme!« Sie sauste die Treppe hinauf, wo sie ihre Datenfächer vergessen hatte.
    Ich blieb bei der Tür stehen, wartete auf sie und betrachtete den Aufmarsch. Es war ekelhaft! Richtige Waffen zogen vorbei: Gepanzerte Fahrzeuge und Abschussrampen für Flugabwehrraketen. Dahinter kam eine Dudelsackpfeifergruppe mit den Maschinenpistolenwirblern. Ich spürte eine Bewegung in der Tür hinter mir und machte einen Schritt zur Seite, als Essie sie aufdrückte. »Ich habe gefunden, Robin«, sagte sie und hielt lächelnd einen dicken Stapel Fächer hoch, als ich mich umdrehte.
    Da schwirrte etwas wie eine Wespe an meinem Ohr vorbei.
    Es gibt keine Wespen in Rotterdam. Dann sah ich Essie nach hinten fallen. Dahinter schloss sich die Tür. Es war keine Wespe

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