Die Gauklerin von Kaltenberg
haben. Ohne seinen Schild gelang es ihm kaum, die immer schneller aufeinanderfolgenden Schläge ab zuwehren. Er hatte den Dolch aus dem Gürtel gerissen, um die Schwerter abzublocken, das Kettenhemd bot auf Dauer keinen Schutz. Eine Klinge traf seine Seite. Auch wenn die Waffen stumpf waren, verschlug ihm der Schmerz den Atem. Mit einem waag rechten Hieb verschaffte er sich Luft. Ulrich wurde aus dem Gleich gewicht gebracht und aus dem Sattel gefegt.
Ein Lanzensplitter klemmte zwischen seinem Bein und dem Pferd und behinderte ihn. Raoul schlug danach, in diesem Mo ment drosch ihm der alte Rohrbacher den Schild ins Gesicht.
Im letzten Augenblick konnte Raoul den Arm hochreißen und verhindern,dass ihm der Schlag die Nase brach. Aber er verlor das Gleichgewicht. Sein Bein mit dem Lanzensplitter wurde nach oben gerissen, traf auf einen Widerstand. Dann stürzte er aus dem Sattel.
Der Boden vibrierte unter den donnernden Hufen. Mühsam kam er auf die Knie und dann auf die Beine. In seinem Kopf pochte es, und einen Moment drehte sich alles vor seinen Augen. Ver schwommen hörte er unter dem Helm wieder Musik und Waffen geklirr. Taumelnd versuchte er sein Ziel auszumachen.
Ulrich kam in sein schmales, vom heißen Atem beeinträchtig tes Blickfeld, auch er war gestürzt. Raoul erkannte ihn nur an dem schwarzweiß gezackten Waffenrock.
Wütend drang Raoul auf seinen Gegner ein. Immer wieder tauchte er unter Ulrichs Hieben weg, wich dieser im letzten Mo ment Raouls kraftvollen Schlägen aus. In den schweren Ketten hemden waren beide nach kürzester Zeit völlig außer Atem. Die kleineren Verletzungen spürte Raoul kaum, schlimmer waren die Prellungen. Die Schwerter waren zwar stumpf, aber die Scharten rissen die Waffenröcke auf, und die Spitzen waren trotz allem eine gefährliche Waffe.
Die Klingen kreuzten sich. Mit einem kraftvollen Stoß drückte Raoul seinem Gegner die eigene Waffe ins Gesicht, um in einer blitzschnellen Drehung zuzuschlagen. Er wusste, dass er eine starke linke Hand hatte, dieser Vorteil hatte ihm schon oft das Le ben gerettet. Mit knapper Not konnte sich Ulrich zur Seite werfen.
»Lasst mich wissen«, keuchte Raoul, »welche Gliedmaßen ich Euch zuerst abschlagen soll!« Er war nicht sicher, ob Ulrich ihn unter dem Helm überhaupt verstehen konnte.
Die anfängliche Abscheu der Bewohner von Kaltenberg wich kaum spürbar einer leisen Sympathie. Durch das Stöhnen der Ver letzten und die Schreie der Kämpfenden hörte er Rufe widerwilli ger Anerkennung aus der Menge. Die Leute erkannten einen gu ten Kämpfer, und sie achteten ihn.
Ulrichdrang mit fast waagrechten Schlägen auf ihn ein. Raoul bemerkte zu spät, dass er ihn auf einen der Verletzten zutrieb, stol perte und stürzte rücklings. Ulrich setzte nach und hob das Schwert zum gefürchteten Zornhau: dem Henkerschlag, der alles beenden konnte.
Im Liegen nahm Raoul seine Klinge auf. Mit einer enormen Kraftanstrengung der Bauchmuskeln kam er wieder auf die Beine. Er nutzte es, als Ulrich ihm den Rücken zuwandte und schlug ihm mit der flachen Klinge auf den Hintern.
Die Leute brüllten vor Lachen. Ulrich taumelte, der Schlag war hart gewesen und hatte sein Waffenhemd aufgeschlitzt. Er fuhr herum, und Raoul stieß auf Augenhöhe zu.
Ein Aufschrei ging durch die Zuschauer.
Ulrich war im letzten Moment ausgewichen. Entsetzt starrte er seinen Gegner an, der ihn beinahe umgebracht hätte.
Der Turniervogt brüllte etwas, die Grieswärtel rannten her über, doch Raoul war schneller. Er nutzte seinen Vorteil und he belte Ulrich die Waffe aus der Hand. Mit einem Tritt warf er ihn zu Boden und stand, beide Schwerter in der Hand, über ihn ge beugt. Hasserfüllt sah er auf seinen Todfeind herab.
Die Grieswärtel packten ihn und zerrten ihn von seinem Geg ner weg vor die Tribüne. Mit einer wütenden Bewegung befreite er sich.
»Dieser Mann ist kein Ritter! Er hat kein Recht, hier zu sein!«, brüllte Ulrich außer sich. Er kam auf die Beine und riss sich die nutzlosen Fetzen seines Waffenhemdes vom Leib, um sie wütend in den Schlamm zu schleudern.
Raouls Hand fuhr zum Schwert.
»Diese Anmaßung ist ein Verbrechen«, Ulrichs Stimme über schlug sich vor Hass: »Sie muss mit dem Tod auf dem Scheiter haufen bestraft werden. Er ist ein Bastard ohne Abstammung!«
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»Zieht den Splitter heraus! «
Der Bader beugte sich über das Lager Hermanns von Rohr bach. Die Angst, man würde ihn für den Tod seines Patienten ver antwortlich machen, stand dem
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