Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Gauklerin von Kaltenberg

Titel: Die Gauklerin von Kaltenberg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Freidank
Vom Netzwerk:
mageren Bürschlein ins Gesicht geschrieben. Besorgt knetete er das Leinentuch, das in den Gür tel geklemmt und von seinem Handschweiß faltig war. Neben ihm stand Ulrich, ein durchgeblutetes Tuch auf die gebrochene Nase gepresst. Sein Gesicht war geschwollen und schmerzte, dass er am liebsten laut gebrüllt hätte. Wenigstens, dachte er hass erfüllt, war Raoul nun als ehrloser Gaukler bloßgestellt. Mit etwas Glück würde man ihn verbrennen. Und auch mit Anna war Ul rich noch nicht fertig.
    Die Augen des alten Rohrbachers glänzten fiebrig, noch immer zuckte seine Linke unnatürlich. Auf Brust und Schultern verrieten seine Kleider, wie viel Blut er schon verloren hatte, und auch auf der Haut bröckelte es in kleinen roten Kristallen ab. Als Raoul vom Pferd gestürzt war, war ihm der messerscharfe Lanzensplitter in die Schulter gefahren. Der Bader schloss die Augen und betete. Dann packte er den Splitter und zog.
    Wie ein Tier brüllte der Alte auf. Irgendwie gelang es dem Bader, ein Stück Leinen auf die Wunde zu pressen. Der Verletzte spuckte das Blut aus, das in seine unrasierte Haut sickerte, vermut lich hatte er sich auf die Zunge gebissen. Langsam kam er hoch und wollte aufstehen. Er griff nach der Hand seines Sohnes und verfehlte sie. Sein Bein knickte kraftlos weg.
    Erschrocken beugte sich Ulrich über ihn.
    Speichel lief aus Hermanns Mund, dessen linker Winkel schlaff herabhing.Seine linke Hand zuckte und schlug immer wieder gegen den Rumpf. Seine glasigen Augen waren blicklos.
    » Morbus sacer – die heilige Krankheit«, flüsterte der Bader und bekreuzigte sich. »Heiliger Wolfgang!«
    Ulrich war entsetzt zurückgewichen. Heiser flüsterte er: »Die Hand Gottes hat ihn gestreift!«
    »Steter Dienst, der ist gut, den man schönen Frauen tut« , hörte Anna schon von weitem Steffens dröhnenden Bass durch den Markt. » Meine Liebste trug mir auf: Der muss ich den Salamander bringen .«
    Ungeduldig wartete sie, während die Gaukler ihren Schwank zu Ende spielten. Sie musste dringend mit Eva sprechen. Die Gaukler hatten sich bei der Bude eines Weinhändlers aufgestellt. Evas Tochter Resi gab die Dame, die ihren Liebhaber auf immer unmöglichere Abenteuer schickte, während Eva die muntere Me lodie auf der Flöte spielte. Steffen legte die holzgeschnitzten Re quisiten der Reihe nach vor Resi nieder und diese schickte ihn jedes Mal mit einem Tritt in den Hintern auf den nächsten Minne dienst.
    »Einen Baum aus India, groß, den will sie von mir haben. Sie wird mir zu Willen sein, aber erst muss ich ihr alles bringen.«
    Wieder trat Resi so kräftig zu, dass Steffen ins Taumeln kam. Die Zuschauer johlten, als ihr dabei der Rock über die Beine hochflog.
    »Schließlich will sie noch den Gral, ja: den Gral von Parcival. Und die Arche Noah noch setzt sie sich in ihren hübschen Kopf.«
    Während die Ritter erschöpft die Badehäuser ansteuerten, scharten sich Leute in ihren besten Kleidern um die Gaukler, ein buntes Gewimmel von Blau, Rot und Grün. Damen mit hermelinbesetzten Schleppen, Bauern und Ewald vom Stand nebenan schauten zu. Ein Schweinehirte und die ersten Knappen, die mit den frisch bemalten Schilden ihrer Herren vorbeikamen, blieben neugierig stehen. Unbarmherzig spielte Eva schneller und schnel ler,und Steffen geriet selbst unterm harmlosen Minnedienst mit den Holzgegenständen ins Schwitzen:
    » Heute viel und morgen will sie noch viel mehr! Was tut mir die Liebe an, die Reine, ach so Gute? Warum macht sie mich nicht froh? – es ist mir weh zumute !«
    Die Damen brachen in lautes Gelächter aus. Mit ihren eigenen Männern hatten sie meist nicht viel zu lachen, dachte Anna. Soll ten sie sich amüsieren über Minnedienste, die sie nie bekamen. Johlendes Gelächter und trillernde Schreie belohnten den letzten Tritt in Steffens geschundenen Hintern. Während er völlig er schöpft liegen blieb, sprangen Resi und ihr Bruder Korbinian in die Menge, um den Lohn zu erbetteln.
    »Du weißt, wo Raouls Vater ist?«, fragte Eva überrascht, als Anna und sie endlich sprechen konnten.
    »Er hat es mir selbst gesagt«, bejahte Anna. »Konrad von Hal denberg lebt im Deutschherrenkonvent von Hegnenberg, nicht weit von hier. Er will Raoul nicht als seinen Sohn anerkennen.« Verzweifelt ließ sie sich auf eine Bank sinken. »Aber dann wird Raoul alles verlieren, wofür er gekämpft hat. Ich kenne Ulrich. Wenn er etwas will, erreicht er es auch. Er wird nicht ruhen, bis man Raoul auf dem Scheiterhaufen

Weitere Kostenlose Bücher