Die Gauklerin von Kaltenberg
der Her zogsburg. Die noch rohen Mauern waren schmucklos, nur we nige Stühle standen darin. Außer dem Deutschherrn war nur der Truchsess anwesend. Ludwig wollte endlich zu Beatrix in die warme Kemenate.
»Also meinetwegen. Bietet dem Bischof ein Bündnis an«, ent schied der König. Entschlossen erhob er sich, zum Zeichen, dass die Unterhaltung beendet war. »Noch hat er keine Partei im Thron streit ergriffen, es ist an der Zeit, dass er es tut.«
Die Gaukler hatten sich längst verzogen, ohne um ihren Lohn zu betteln, als der Priester in Beatrix’ Gemächern noch immer wet terte. Gottergeben wartete sie das Ende ab. Oft genug hatte ihr diese Stimme im Beichtstuhl eingeschärft, endlich einen Thron folger zu gebären. Vermutlich wusste er genauso gut wie sie, dass Thronfolger nicht vom Heiligen Geist empfangen wurden, zumin dest, wenn man nicht gerade die Jungfrau Maria war. Aber über diese Dinge durfte nur das einfache Volk lachen. Es kostete Bea trix keine Überwindung mehr, einem Mann Anweisungen zu ge ben, doch sie hatte nicht gelernt, einem Priester zu widersprechen.
Plötzlich wich das Gesinde zur Seite und machte einem An kömmling Platz. Sogar der Mönch verstummte.
Sie biss sich auf die Lippen. Das rötlich blonde Haar des Königs glänzte im Licht der Lampen. Verwundert über die vielen Menschen im Gemach seiner Gattin sah er sich um. Ludwigs Blick wanderte von ihr zu Pater Felix. Seine Stimme klang ungewohnt scharf.»Manche Stimmen sagen, ich dulde zu viel in meinem Haus.«
Beatrix wusste, wo eine Frau nachzugeben hatte. Sie wollte zu einer Entschuldigung ansetzen, doch er befahl ihr zu schweigen. »Aber Ihr werdet meine Gemahlin nicht vor ihrem Gesinde in weltlichen Dingen maßregeln!«, herrschte er den Mönch an.
Die schiefe Fratze des Priesters verzog sich verblüfft. In diesem Ton hatte noch nie jemand mit ihm gesprochen. Beatrix verschlug es den Atem. Von Ludwigs sonst so umgänglichem Wesen war nichts zu spüren. In einem plötzlichen Ausbruch packte erFelix am Kragen und stieß ihn zur Tür. Er war größer als der Dominikaner und viel kräftiger. Ohne ein Wort schob er den zeternden Mönch hinaus und drehte sich um. Das unbedeckte Haar glänzte, und un ter den zornig aufeinandergepressten Lippen bemerkte sie zum ersten Mal, dass er ein stark gezeichnetes Kinn hatte. Mit einer zornigen Kopfbewegung gab er den Anwesenden zu verstehen, dass sie ihn mit seiner Frau allein lassen sollten. Er stellte einen Kir chenmann vor aller Augen bloß – ihretwegen!
»Wenn Ihr es wünscht, lasse ich Euch einen anderen Beicht vater geben.« Ludwig blickte den Leuten nach. Als die Tür sich schloss, war der Zorn noch immer nicht aus seinem Gesicht ver schwunden. Er blickte ihr direkt in die Augen – zum ersten Mal, seit er hereingekommen war. Als würde ihn verunsichern, was er sah, wies er wieder zur Tür. »Ich möchte, dass du ihm dies das nächste Mal selbst sagen kannst.«
Auf einmal wurde Beatrix klar, wie verlassen sie sich die letz ten Jahre gefühlt hatte. Den ganzen Tag hatte sie vor dem Augen blick zurückgescheut, wenn sie mit Ludwig allein bleiben würde. Aber jetzt war sie dankbar, dass er hier war. Sie musste an das Lied der Gauklerin denken: Auf der Waage meines Herzens streiten laszive Begierde und Scham …
»Ich lasse dich schlafen«, sagte er leise. Auf einmal klang seine Stimme anders als sonst, beinahe zärtlich. »Es ist spät, und du musstmüde sein.« Er wollte gehen, aber seine Schritte waren zögerlich und wurden langsamer. Unschlüssig glitten seine schlanken Hände am Türrahmen herab. Beatrix fielen seine breiten Schultern auf, seine schmalen Hüften in der hochgeschlitzten Cotte. Sie rief ihn beim Namen.
Ludwig hielt inne, dann drehte er sich langsam um. Beatrix nahm den Schleier ab, und ihre Finger schlossen sich um den Sei denstoff. Dann warf sie das lange blonde Haar zurück. »Geh nicht«, sagte sie. »Bleib heute Nacht bei mir.«
9
»Man könnte es noch einmal neu herrichten lassen«, meinte der Waffenmeister von Kaltenberg. Seine scharf geschnittenen Züge unter dem grauen Haar waren andächtig, als er das alte Schwert in der Hand wog. »Die Scharten wären abzufeilen, und auch der Rost geht nicht tief. Wenn man den Griff reinigt, trocknen lässt und neue Lederbänder darumwickelt, wäre es wieder zu gebrau chen.«
Er stand mit Ulrich von Rohrbach in der Kapelle. Jetzt, da nass kalte Winterstürme um Burg Kaltenberg heulten, war das einzige schmale Fenster mit
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